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Nachhall einer Weltkarriere lockt bis heute Zuhörer zu Solo-Auftritten des einstigen Bandleaders.

Balingen - "Jethro Tull" – dieser Name hat bis heute Zugkraft. Obwohl das letzte Studioalbum vor 17 Jahren veröffentlicht worden ist. Obwohl es die Band seit 2014 nicht mehr gibt.

Der Nachhall einer Weltkarriere lockt noch immer Zuhörer zu den Solo-Auftritten des einstigen Bandleaders Ian Anderson und seiner heutigen Live-Begleiter. So auch am Freitagabend zum Open-Air-Konzert auf dem Balinger Marktplatz.

Dabei drohte die Musik im Vorfeld zeitweilig in den Hintergrund zu treten: Der Konzertveranstalter Koko & DTK Entertainment hatte tags zuvor mit dem Hinweis aufgeschreckt, dass Besucher des Balinger Marktplatz-Open-Airs keine Rucksäcke und Taschen mit auf das Gelände bringen durften.

Eine nach den jüngsten Gewalttaten nachvollziehbare Entscheidung, die gleichwohl die vorhandene Unsicherheit mancher Musikfans verstärkte. Der Terror hat so zumindest emotional den Zollernalbkreis erreicht. Eine Folge: Bis zuletzt war die Veranstaltung im Balinger Stadtzentrum nicht ausverkauft.

Freundlicher Empfang und kein Stress an den Einlasskontrollen

Die Zuhörer, die dennoch gekommen sind, nahmen diese Sicherheitsmaßnahme aber weitgehend gelassen und hatten in vielen Fällen gleich ganz auf "Handgepäck" verzichtet. Wer dennoch mit Rucksack hinein wollte, dem erklärten Security-Mitarbeiter freundlich, weshalb das nicht gehe. An beiden Eingängen zur abgesperrten Fußgängerzone gab es trotz der Eingangskontrollen weder Wartezeiten noch Stress.

So konnte pünktlich ab 20 Uhr dann die Musik im Mittelpunkt. Die deutschen Fans sind die treuesten der Welt, wissen vor allem Musiker im Rock- und Metal-Bereich. Sänger und Flötist Ian Anderson und seine vier Mitmusiker konnten dies schon an dem Jubel bestätigt sehen, mit dem sie das Publikum auf dem Balinger Marktplatz sogleich begrüßte.

Treue Rockfans sind aber auch konservativ. Dem trug der noch immer in satyrenhaften Posen über die Bühne stolzierende Anderson Rechnung: Keiner der Hits, die in den 60er- bis 80er-Jahren Jethro Tulls Weltruhm begründet haben, fehlte in der Setlist. Bei diesen kam dann auch mehr Bewegung in das begeisterte, aber ansonsten gesetzt mitwippende Ü50-Publikum: Die Stücke sind das Pflichtprogramm der mittlerweile gesetzten Prog-Rocker.

Selbstironie: Das "neue" Stücke stammt aus dem Jahr 1971

Die Jethro-Tull-Single von 1969, "Living in the past", war auch deshalb eine treffend gewählter Auftakt des Konzertabends. Genau das haben die Zuhörer in Balingen gewollt – und das haben sie auch bekommen.

Ian Anderson selbst merkte danach mit erkennbarer Selbstironie an: "Das war ein alter Song. Jetzt spielen wir etwas Neueres." Es folgte: "Thick as a brick" – eine Komposition von 1971.