Ernst Hermann Maier mit einem Kalb auf der Weide in Ostdorf. Der Streit um die Ohrmarken für die Tiere zieht immer größere Kreise – mittlerweile wird über sein Rebellentum deutschlandweit und sogar in England berichtet. Foto: Ungureanu

"Habe eben mit der 'Times' telefoniert": Landwirt Maiers Widerstand erregt immer stärkeres Interesse.

Balingen - Chip statt Ohrmarken: Für den Ostdorfer Landwirt Ernst Hermann Maier geht es ums Prinzip. Sein Anliegen, sein Widerstand gegen die Ohrmarken und sein Kampf für eine tiergerechte Lösung erregen ein immer stärkeres Interesse. Die Süddeutsche Zeitung hat am Dienstag auf der ersten Seite über den Biobauern berichtet – und noch am selben Tag wurde es international.

"Ich habe eben mit der ›Times‹ telefoniert, sagt Maier. Das Deutschland-Büro der großen englischen Zeitung habe ihn angerufen und um ein Interview gebeten. Maier beantwortete dieselben Fragen, die er zuletzt immer wieder beantwortet hat, zunächst Fachzeitschriften, dann Medien in Baden-Württemberg, dann der Bild-Zeitung (die das Thema unter der Überschrift "EU-Ärger um diesen Kuh-Hintern" aufgriff) und auch schon dem Fernsehen: Warum er diesen Kampf führt – für die Chip-Kennzeichenung seiner Tiere in Ostdorf und gegen die von der EU-Verordnung 1760/2000 geforderte Kennzeichnung mit Ohrmarken.

Das Interesse an dem Thema steigt immer mehr. Es geht um weit mehr als ein etwa sechs Zentimeter großes Plastikkennzeichen. Für den Ostdorfer Maier geht es um die grundsätzliche Frage, ob man Tieren bewusst Leid und Schmerzen zufügen darf, ja sogar muss, wie es die EU seiner Meinung nach will – oder ob man die bessere Alternative – eingepflanzte Chips – zumindest nicht zusätzlich erlauben sollte.

Maier selbst hat für seine Rinderherde in Ostdorf seit 14 Jahren eine entsprechende Ausnahmegenehmigung. Er darf den Tieren den Chip unter die Haut neben die Schwanzwurzel einpflanzen; Ohrmarken muss er zumindest pro forma auch bestellen, um den jeweiligen Rinderpass für die einzelnen Tiere zu bekommen. Der 71-Jährige sagt, dass er gewiss nicht der einzige Landwirt sei, der seinen Tieren bewusst keine Ohrmarken anbringe. Deutschlandweit gebe es zahlreiche "stille Duldungen". Aber Maier will nichts still dulden, zumal der Behördendruck mit massiver Androhung von Sanktionen zugenommen hat – und vor allem, weil er von der Sache, für die er kämpft, überzeugt ist: "Ich spreche stellvertretend für alle, denen Tiere am Herzen liegen."

Strenggenommen, sagt Maier, verstoßen die EU-Verordnung und die deutsche Viehverkehrsordnung, die genau diese Ohrmarken fordern, gegen sich selbst. Ohrmarken müssen demnach fälschungssicher und fest mit dem Tier verbunden sein, ohne ihm Schaden zu zufügen. Die Tiere sollen so für den Krankheitsfall gekennzeichnet und identifizierbar sein. Allerdings führen die Ohrmarken regelmäßig dazu, dass sich die Tiere verletzen. Ausrisse seien fast schon an der Tagesordnung, so Maier, ebenso Entzündungen.

Dass die Ohrmarken eine lebenslange und fälschungssichere Kennzeichnung der Tiere gewährleisten, wie es die Viehverkehrsordnung vorschreibt, stehe nur auf dem Papier. Maier spricht von einem "flächendeckenden Missstand", den zu beheben Beamte eigentlich die Pflicht hätten.

Der Chip sei in vielerlei Hinsicht die bessere Alternative, sagt Maier: Einmal unter der Haut, bleibt er auch drin, verursacht dabei dem Tier deutlich weniger Schmerzen – und ist auch noch billiger als die Ohrmarken: 5,05 Euro kostet derzeit ein Paar, der Chip nur 4,50 Euro. Der Chip hält ein Tierleben lang, Ohrmarken nicht.

Warum an dem System der Ohrmarken dennoch festgehalten wird, kann sich Ernst Hermann Maier nur schwer erklären. "Es steht so geschrieben. Vielleicht hält man deshalb einfach stur daran fest – wir sind schließlich in Deutschland", sagt der 71-Jährige mit sarkastischem Unterton. Die Position, dass Chips zusätzlich erlaubt werden sollen, will Maier weiterhin vehement vertreten. Das starke Interesse daran bestärke ihn.

Anfang September erhält das Thema erneut bundesweite Beachtung: Das ZDF hat sich angekündigt, will auf der Ostdorfer Weide drehen. Maier ist überzeugt: "Gesetze sind nicht in Stein gemeißelt. Man kann sie ändern, wenn man nur will. Und es gibt keinen vernünftigen Grund, warum man das bei den Ohrmarken nicht auch sollte."