Bis obenhin gefüllt mit Besuchern ist die Stadthalle beim Bürgertreff. Oberbürgermeister Reitemann blickte zurück und listete geplante Vorhaben auf. Foto: Maier

Bürgertreff: Was kommt auf Balingen im Speziellen, was auf die Gesellschaft im Allgemeinen zu?

Balingen - Was kommt auf Balingen im Speziellen, was auf die Gesellschaft im Allgemeinen zu? Darauf gaben am Samstag beim Bürgertreff in der Balinger Stadthalle Oberbürgermeister Helmut Reitemann und Soziologieprofessor Armin Nassehi Antworten.

Reitemann ließ es sich nicht nehmen, zunächst auf positive Entwicklungen hinzuweisen. So sei die Zahl der Arbeitsplätze von 15 244 im Jahr 2008 auf nunmehr 17 255 gestiegen, die Arbeitslosenquote von vier Prozent 2010 auf inzwischen 2,9 Prozent gesunken. Die "tolle Wirtschaftskraft Balingens" verdeutliche auch das Plus von 166 Betrieben seit 2011. Balingen die Messestadt, die Sportstadt, die "lebendige Stadt" – auch dafür fand er viele Beispiele aus dem vergangenen Jahr.

Dennoch stimmte er die Zuhörer darauf ein, dass noch viele Aufgaben zu bewältigen seien: Bei den Investitionen für die Schulen "sind wir noch lange nicht fertig", Wohn- und Gewerbegebiete seien zu erschließen, in Engstlatt gelte es, den Kindergarten in die Schule zu integrieren, und der Kreisverkehr in der Wilhelmstraße sei fertigzustellen. In Sachen Gartenschau habe ein Bürgerspaziergang stattgefunden, nun müsse im Frühjahr in Workshops ermittelt werden, was umgesetzt werden solle und könne.

Reitemann hielt zudem fest, dass inzwischen 150 anerkannte Flüchtlinge und Asylbewerber in Balingen lebten. In den kommenden Jahren würden es aber deutlich mehr werden, worauf es sich vorzubereiten gelte. Er würdigte in diesem Zusammenhang den Einsatz des Arbeitskreises Asyl für die Fremden und für ein Leben miteinander.

Für Gastredner Armin Nasshi ist so ein Engagement nicht selbstverständlich, denn Veränderungen seien nur schwer auszuhalten, sie riefen Zweifel und Ängste hervor. So auch der Wandel, der die Gesellschaft erfasst habe: der von der Industrie- zur Wissensgesellschaft, hervorgerufen durch eine "radikale Vernetzung", durch die Digitalisierung.

Wird der Mensch nun nicht mehr gebraucht? Nassehi gab Entwarnung, machte Hoffnung: Wegen der so genannten "Industrie 4.0" verschwinden Industrieformen nicht, sie veränderten sich, neue Tätigkeiten werden geschaffen, so der Soziologieprofessor. Der Mensch müsse lernen, mit einer "unglaublichen Reichweite von Komplexität" und umfassenden "Wechselwirkungsprozessen" umzugehen. Er warnte daher vor Personen, die von "einfachen" Lösungen redeten: "Wer alles weiß, weiß nichts."

Stattdessen seien "Netzwerkstrategien" notwendig, die sich auch beim Balinger Bürgertreff ergeben könnten, wenn sich dort verschiedene Personen und Gruppen austauschten. Das sei die einzige Chance, "von einfachen Lösungen wegzukommen". Nassehi zum Schluss: "Vereinfacher sind Vertreter des Analogen, Aufklärer müssen digital denken."

  Am Rande