Christoph Wagner ist derzeit mit seinem neuen Buch "Träume aus dem Untergrund" auf Heimatbesuch in Balingen. Foto: Müller Foto: Schwarzwälder-Bote

Literatur: Christoph Wagner beleuchtet in "Träume aus dem Untergrund" die Musikszene im Südwesten

Als in den 1960er- und -70er-Jahren die Rockmusik ihren Anfang nahm, war Christoph Wagner als Jugendlicher mittendrin – als Schlagzeuger, als begeisterter Konzertbesucher und -organisator. Doch nicht etwa in Berlin oder London, sondern in Balingen. Sein Buch "Träume aus dem Untergrund" behandelt die damalige Musikszene im Südwesten.

Balingen. Die schwäbische Provinz galt auch damals nicht als Nabel der Untergrund-Musikszene. Rückblickend zeigt das nunmehr sechste Buch des gebürtigen Balingers Christoph Wagner allerdings, dass seinerzeit durchaus was los war zwischen Stuttgart und Singen.

"Träume aus dem Untergrund" beleuchtet nicht nur Bands, die damals populär waren: In aufwendigen Recherchen und Gesprächen mit Zeitzeugen hat Wagner, Jahrgang 1956, die Entstehung solcher Konzerte herausgearbeitet. Kulturvereine, Jugendclubs und Initiativen bereicherten die Musikszene in Baden-Württemberg. "Wenn du in der Provinz nicht selber aktiv geworden bist, war einfach nichts los", stellt der Autor fest. In Balingen waren damals vor allem die Progressive Jugend, später der Kulturverein, die treibenden Kräfte hinter vielen Konzerten, größtenteils in der Eberthalle.

Wagner ist freier Musikjournalist und lebt seit 25 Jahren in Hebden Bridge in West-Yorkshire, England. Zuvor war er in Balingen nicht nur in der Musik- und Kulturszene umtriebig, sondern saß Anfang der 1990er für die Grünen im Gemeinderat. Zudem war er zehn Jahre lang Lehrer in Unterdigisheim. Die Idee, die damalige Szene genauer zu beleuchten, entstand, als er 2013 das Vorgängerbuch, "Klang der Revolte" fertigstellte. Darin behandelt er den westdeutschen MusikUnderground zwischen 1967 und 1973. "›Träume aus dem Untergrund‹ erweitert den zeitlichen Rahmen, von den frühen 1960er-Jahren bis Ende der 70er. Den Schauplatz habe ich dafür verkleinert", erklärt der Autor. "Das fängt an mit Beat, der Gründung vieler Jazzclubs bis hin zum Kraut- und Schwobarock."

Für seine Recherchen flog der Journalist, der von England aus viel über kulturelle Themen für deutsche Zeitungen schreibt und Radiosendungen produziert, mehrmals in seine Heimat. Interviews mit Zeitzeugen und mehrere Stunden Zeitunglesen in Stadtarchiven von schwäbischen Kleinstädten standen dann auf seinem Rechercheplan. "Mit der Zeit fliegt einem das Material zu", meint der Autor. Vieles stamme aus seiner eigenen Sammlung.

Das Lebensgefühl der damaligen Jugend versucht Wagner in seinem Buch zu beschreiben: "Wenn ich heute an die Konzerte von damals denke, dann bleibt da hauptsächlich das Feeling": das Trampen, die Schlaflosigkeit auf Festivals wie dem "2nd British Rock Meeting" von 1972 in Germersheim, der Schmutz, die Enge und die Euphorie in den ersten Reihen, wenn Pink Floyd oder The Doors Hits spielten, die heute Rock-Klassiker sind.

Ob Rock, Jazz, Beat oder Folk: Zusammengetragen hat der gebürtige Balinger alle Konzerte dieser Zeit im Südwesten, die man rückblickend als "legendär" bezeichnen könnte. Dass Black Sabbath, die Urväter des Heavy Metals, ihre erste Deutschlandtournee 1969 in Schorndorf, Göppingen und Schwäbisch Hall gespielt haben, ist kein Mythos. "Zugegeben: Niemand hat die damals gekannt." Allerdings: "Wenn damals eine britische Band in Deutschland aufgetreten ist, war das eine Sensation, da war was los."

Nostalgie wird im Buch auf 178 Seiten auch durch die großzügige Bebilderung geweckt: Fotos von Konzerten, Hippies, Eintrittskarten und Tourplakaten.

Viele der Wegbegleiter, die ihre Erinnerungen mit Wagner teilten, werden bei der offiziellen Buchvorstellung von "Träume aus dem Untergrund" am Montag, 9. Oktober, ab 19.30 Uhr im Stuttgarter Theaterhaus anwesend sein. Unter ihnen auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann, ebenfalls ehemaliger Wegbegleiter des Autors.

Das Buch: Wagner, Christoph: "Träume aus dem Untergrund – als Beatfans, Hippies und Folkfreaks Baden-Württemberg aufmischten", Silberburg-Verlag, Tübingen 2017, 178 Seiten, 24,90 Euro.