37 Jahre lang war Wilhelm Friedrich Eisele Stadtschultheiß / Einsatz für Verbesserungen der Infrastruktur

Balingen. Als der erste Dampfzug 1874 in Balingen einfuhr, stand Wilhelm Friedrich Eisele mit den anderen Honoratioren und Amtsträgern der Stadt auf dem Bahnsteig und war sicher zutiefst ergriffen. 1869 war der damals erst 28 Jahre alte Spross einer Balinger Färberfamilie zum Stadtschultheißen gewählt worden, zum Nachfolger seines Vaters, der von 1855 an das Amt innegehabt hatte. Am 27. Oktober ist sein 100. Todestag.

Die dampfende Lokomotive brachte Balingen den technisch-industriellen Fortschritt. Der junge Eisele hatte als Stadtoberhaupt fortan alle Hände voll zu tun. Die folgenden Jahre waren eine Zeit voller Veränderungen und Umbrüche, denn das Landstädtchen Balingen, in dem es bis dahin nur Handwerk und Landwirtschaft gegeben hatte, wandelte sich zur Industriestadt.

Als kluger Kopf, fleißig, ausdauernd und geschickt war der junge Notariats- und Verwaltungsfachmann bei der Wahl zum Schultheißen angepriesen worden – Eigenschaften, die er in den Jahrzehnten seiner Tätigkeit immer wieder unter Beweis stellte. Heute würde man ihn sicher als arbeitssüchtig bezeichnen. Denn ein Blick in die Unterlagen des Stadtarchivs zeigt, dass Eisele neben dem Amt des Schultheißen auch noch die Ratsschreiberei und das gesamte Notariatswesen alleine bewältigte. Jahrzehntelang war er aktives Mitglied des Gewerbevereins. Wen wundert’s, dass Schultheiß Eisele ledig blieb.

Wichtige Voraussetzungen für den Fortschritt in der Stadt waren der Bau eines Wasserleitungsnetzes und die Elektrifizierung der Stadt – zwei Projekte, für die sich Wilhelm Eisele mit voller Kraft einsetzte. Ein gutes Beispiel für sein geschäftliches Geschick lieferte er, als er beim Bau der Wasserleitung 1893 notwendige Quellen für die Stadt Balingen sicherte, indem er sie kurzerhand privat kaufte und dann nachher – zum gleichen Preis – an die Stadt abtrat. 1896 leuchtet in Balingen die erste elektrische Glühbirne.

Industriebetriebe entstanden. Dies setzte die Bereitstellung und Erschließung entsprechenden Baulands voraus. Die Bevölkerungszahl nahm rapide zu. Die Stadt musste sich mit ihrer Infrastruktur anpassen. So wurden nicht nur neue Straßen angelegt, sondern zudem 1898 die Frauenarbeitsschule geschaffen. 1903 wurde die Turnhalle gebaut.

Mit seinem Tun und seiner ausgeglichenen, ruhigen Art kam Eisele bei der Bevölkerung gut an. So wurde dann auch sein 25-jähriges Dienstjubiläum mit einem Fackelzug durch die Stadt und einem Festbankett im Gasthof Schwanen gefeiert. Überall in den Straßen waren Flaggen gehisst. Die zwei örtlichen Gesangvereine brachten dem Jubilar ein Ständchen.

Im April 1906 ging Wilhelm Friedrich Eisele in den Ruhestand. 37 Jahre lang war er Stadtschultheiß. Als Zeichen der Dankbarkeit verlieh ihm der Gemeinderat einen Ruhestandssessel. Sein Nachfolger Hofmann brachte ihm den Sessel persönlich nach Hause. Am 27. Oktober 1914 starb Wilhelm Friedrich Eisele im Alter von 73 Jahren und wurde an der Südwand der Friedhofkirche begraben. Sein Grabstein ist heute noch vorhanden. Zur Erinnerung an seine Verdienste benannte die Stadt auch eine Straße nach ihm, die Eiselestraße, eine Seitenstraße der Behrstraße.