Khalil Takriti flüchtete vor der Gewalt der syrischen Armee und lebt heute in Tübingen. Fotos: Fischer Foto: Schwarzwälder-Bote

Flüchtlinge: Zwei Männer aus Damaskus erzählen von der Flucht aus Syrien und ihrem Neuanfang

Von Judith Fischer

Was bewegt Menschen dazu, ihre Heimat aufzugeben und in der Fremde ein neues Leben anzufangen? Bei einem Vortragsabend der Heimatkundlichen Vereinigung in Balingen berichteten zwei Syrer von ihrer Flucht.

Balingen. "Das Thema Migration ist unmittelbar mit Heimat verknüpft", meinte Andreas Zekorn, Vorsitzender der Heimatkundlichen Vereinigung. Deshalb wollen sich die Mitglieder in diesem Jahr verstärkt mit dem Thema Auswanderung beschäftigen. Bei der ersten Vortragsveranstaltung im Landratsamt kamen dabei nun zwei Menschen zu Wort, die ihre Heimat verlassen mussten und nach Deutschland geflohen sind. Alattar Muhamad Taher und Khalil Takriti erzählten von ihrer Flucht aus Damaskus (Syrien) und zeigten mit Videos und Fotos, in welchem Zustand sich das Land befindet.

Khalil Takriti entschied sich, wie er sagte, nach dem Abitur nach Deutschland zu gehen. Er wollte Chemie studieren, weil er das akademische Niveau der deutschen Universitäten schätzte. Als er nach seinem Studium aber wegen seiner geringen Sprachkenntnisse keinen Arbeitsplatz in Deutschland fand, kehrte er in seine Geburtsstadt Damaskus zurück.

"Dort war die Lage von Anfang an angespannt", erinnert sich der heute 42-Jährige. Junge Leute begannen auf die Straße zu gehen, gegen den Machthaber Baschar al-Assad. "Mich hat gewundert, dass sie so mutig sind", sagt Takriti mit Blick auf die Bilder von Massendemonstrationen des Arabischen Frühlings. Doch auf der anderen Seite erlebte er die Angst, die die Regierung unter der Bevölkerung verbreitete. Noch immer kann er das rigorose Vorgehen des Militärs nicht begreifen: "Regierungen sind die Eltern eines Volkes, aber welche Eltern tun solche Dinge?"

Eines Tages bekommt er die Brutalität selbst zu spüren. Auf dem Weg zur Arbeit wird er von zwei Soldaten angehalten. Sie behaupten, dass sie ihn sicher zu seinem Arbeitsplatz geleiten wollen, stattdessen bringen sie ihn ins Gefängnis. Sie sperren ihn ein, stülpen ihm einen Sack über den Kopf und schlagen auf ihn ein, bis sie selbst keine Kraft mehr haben. Nach einer Stunde lassen sie ihn gehen, sagen, es sei ein Missverständnis gewesen.

Takriti beschließt, Syrien erneut zu verlassen: "Nach allem was passiert ist, wusste ich, dass ich nicht in Syrien bleiben konnte. Es war zu gefährlich." Ein deutsches Visum bekam er nicht, also überredeten ihn seine Freunde zur Flucht mit dem Boot übers Mittelmeer. In der Landeserstaufnahmestelle Meßstetten arbeitete er sechs Wochen lang als Übersetzer, bevor er nach Hechingen übersiedelte.

Bald tritt er seine neue Arbeitsstelle in Tübingen an und bezieht seine erste eigene Wohnung. "Mein neues Leben kann beginnen."

Alattar Muhamad Taher lebt bereits seit rund zweieinhalb Jahren in Deutschland. In seiner Heimat arbeitete er als Industrietechniker, bevor er 2011 in die Armee eintrat. Bald darauf begannen die Unruhen in Syrien. "Die Situation war immer sehr schlecht. Aber als ich gesehen habe, was die Armee in Syrien gemacht hat, wurde mir klar, dass sie mir irgendwann den Befehl geben würden, auf unschuldige Menschen zu schießen", schilderte der 29-Jährige.

Er gab vor, krank zu sein. Heimlich floh er vor dem Militär und aus dem Land. "Obwohl ich nicht die richtigen Papiere hatte, kam ich überall durch. Es war ein Wunder." Zehn Monate lebte er mit seiner Familie in Libyen. "Es war gut dort, und ich wollte nicht weiter ziehen." Dann begannen auch dort die Unruhen. So kam die Familie nach Deutschland. Derzeit leben sie in Bisingen.

Alattar Muhamad Taher hat mittlerweile eine Aufenthalstgenehmigung und einen Job als Elektrotechniker. "Ich bin glücklich, dass Deutschland mir eine zweite Chance zum Leben gibt und hoffe, dass mich die Deutschen als Bruder akzeptieren", meint Taher. Dennoch träumt er davon, eines Tages nach Syrien zurückkehren und beim Wiederaufbau seines Heimatlandes helfen zu können: "Ich liebe mein Land und meine Erinnerungen."

Gemeinsam mit seinen Freunden singt er beim Vortragsabend im Landratsamt ein altes syrisches Lied. Ihre Augen sind geschlossen, die Hände auf die Herzen gedrückt. Es klingt nach Heimweh.