Mütze und Uniform schützen vor Strafe nicht: Ein Polizist aus Balingen ist wegen Nötigung und Körperverletzung im Amt verurteilt worden. Foto: dpa

Routineüberprüfung eskaliert: Verurteilung am Amtsgericht Balingen wegen Nötigung und Körperverletzung.

Balingen - Wegen Nötigung und Körperverletzung hat das Amtsgericht Balingen einen Polizisten zu einer Geldstrafe von 4900 Euro verurteilt. Der Beamte, der in Balingen Dienst versieht, habe seine Befugnisse als Amtsträger klar überschritten, sagte Richterin Goßger.

Das Gericht sah es – wie Staatsanwalt Vigelius – als erwiesen an, dass der erfahrene Polizist (49), der seit 30 Jahren im Dienst ist, im Rahmen einer Überprüfung von Fahrzeug- und Fahrerdaten bei einer Firma in Frommern im vergangenen Jahr einen 50-Jährigen widerrechtlich festgehalten, zu Boden geworfen und so leicht verletzt hat.

Verurteilt wurde der Polizist wegen eines minderschweren Falls zu 100 Tagessätzen. Strafmildernd wertete das Gericht am Freitag, dass der Beamte massiv beleidigt und in seiner Amtshandlung gestört worden war, ebenso, dass der Geschädigte auf eine Strafverfolgung verzichtete. Richterin Goßger sagte gleichwohl, dass das Verhalten des Beamten unter Würdigung aller Umstände deutlich in Richtung von Selbstjustiz gehe – "und das lassen wir niemandem durchgehen, auch nicht einem Polizisten."

Die Verteidiger Erbe und Hopt-Bley hatten dagegen einen Freispruch gefordert. Der Beamte betonte im Verlauf der Verhandlung mehrmals, dass er aus seiner Sicht im Rahmen der Gesetze gehandelt habe. Gegen das Urteil sind Rechtsmittel möglich, möglicherweise drohen dem Polizisten auch disziplinarrechtliche Konsequenzen.

Der Fall, der gestern verhandelt wurde, warf viele Fragen auf – etwa, was sich ein Polizist im Einsatz alles bieten lassen und bis zu welchem Punkt er Beleidigungen ertragen muss. Und vor allem: Wann Grenzen überschritten sind.

Die Überprüfung in Frommern war ein Routinefall und wäre wohl auch einer geblieben, wenn der Mann der Geschäftsführerin nicht zufälligerweise zuhause gewesen wäre, als die beiden Beamten kamen. Leicht reizbar, emotional und schnell aufbrausend (wie sich auch eindrucksvoll vor Gericht zeigte, wo er als Zeuge aussagte), stellte er sich den Beamten entgegen, beschimpfte und beleidigte sie, dabei fiel auch der Ausdruck "Scheißbeamte".

Der 49-jährige Polizist und dessen Kollege hatten alle Mühe, mussten mehrere Minuten lang einiges ertragen, ehe sich die Situation aufzuklären schien: Der Kollege ging mit der Frau ins Büro, um sich die Daten geben zu lassen, der 49-jährige Polizist blieb bei dem Schimpfer, der erklärte, "für so einen Scheiß" keine Zeit zu haben und deshalb wegfahren zu wollen. Der Mann lief zum Auto – doch der Polizist wollte, wie er sagte, die Sache so nicht auf sich beruhen lassen: Der Mann habe die Amtshandlung massiv gestört, aus seiner Sicht dauerte diese Störung an, obwohl der Mann sich entfernte. Er folgte ihm zum Auto, sprach ihn nochmals an, wollte dessen Personalien überprüfen und brachte ihn dann "mittels Polizeitechnik" zu Boden.

Genau das, so Staatsanwalt Vigelius, sei falsch und rechtswidrig gewesen: Die Personalien des Mannes seien bekannt gewesen, der Mann wollte weg, musste also nicht verfolgt und erst recht nicht überwältigt werden. Kein Zweifel, so Vigelius: Der Mann habe sich schlecht benommen, habe die Beamten beleidigt, habe die Überprüfung gestört – aber dieses Verhalten sei in dem Moment, als der Polizist ihn zu Boden brachte, beendet gewesen.

Und genau für solche Situationen seien Polizisten eigentlich geschult, müssten ein "dickes Fell" zeigen und dürften nicht überreagieren. Offenbar habe der Polizist sich für die Beleidigung revanchieren wollen – ausgerechnet er, der als langjähriger Einsatztrainer beim Polizeirevier Balingen Kollegen für genau diese Situationen geschult habe.

Als "unerträglich" hatte es dagegen Verteidiger Erbe bezeichnet, dass der Mann, der die Beamten in Ausübung ihrer Pflicht massiv gestört und beleidigt habe, ungestraft davon komme, während sein Mandant, der Polizist, bestraft werden solle: "Das ist eine klare Schieflage der Rechtssituation." Verteidigerin Hopt-Bley meinte, dass das Vorgehen des Beamten – die Anwendung unmittelbaren Zwangs, um den Störer zu stoppen – durch das Polizeigesetz gedeckt sei.

Der Balinger Polizist selbst bewertete das gesamte Verfahren als "beschämend" und "einzige Enttäuschung". Er habe seine Arbeit getan, er habe ganz sicher sich nicht für Beleidigungen dadurch revanchieren wollen, dass er den Mann zu Boden brachte.