Erfreut zeigt sich Ministerpräsident Winfried Kretsch­mann (links) über den Bildband, den ihm Balingens Oberbürgermeister Helmut Reitemann überreicht. Foto: Hauser

Ministerpräsident besucht Delegiertenkonferenz der Jusos in Balingen. Viel Applaus und viele Fotos.

Balingen - Premiere auf der Landesdelegiertenkonferenz: Mit Winfried Kretschmann (Grüne) besuchte zum ersten Mal ein Ministerpräsident die Jusos. Wenn es nach denen geht, ist Kretschmann 2016 allerdings nicht mehr im Amt.

Es ging zeitweise heiß her bei der Rechenschaftsdebatte der Jusos auf ihrer Konferenz am Samstag. Etwa, wenn einzelne Verbandsmitglieder dem Landesvorstand vorwarfen, dass die Wahlergebnisse seit Jahren schlecht seien und endlich darüber debattiert werden müsse. Oder, dass es seitens des Landesverbands endlich eine klare Stellungnahme gegenüber den Grünen geben müsse. Die seien ein "großes Problem" für SPD und Jusos – und was gedenke man denn eigentlich bei einer grün-schwarzen Koalition zu tun?

Es ging aber auch locker und familiär zu in der Balinger "volksbankmesse". Es gab Anfeuerungsrufe für die Redner, ein Happy-Birthday-Ständchen für Geburtstagskind Sanel Dacic, Kreisvorsitzender der Jusos Zollernalb, und Ehrengast Winfried Kretschmann (Grüne) zog erstmal sein Jackett aus, bevor er die Bühne betrat. Eingelaufen war der Ministerpräsident flankiert von Sicherheitsleuten, während die applaudierenden Jusos ihre Smartphones zückten und zahlreiche Fotos von ihm schossen: Kretschmann beim Einmarsch in die Halle, Kretschmann mit dem Juso-Landesvorsitzenden Markus Herrera Torrez und dem Balinger OB Helmut Reitemann (CDU), Kretschmann mit leuchtend grüner Krawatte auf der tiefrot dekorierten Bühne.

Auf dieser erntete er nicht nur Applaus, weil er als erster baden-württembergischer Ministerpräsident der Landesdelegiertenkonferenz einen Besuch abstattete, sondern weil er bewusst vom "wir" sprach – von Dingen, die "Rot und Grün gemeinsam geschafft" hätten, vom "Wandel, den wir angestoßen haben". Differenzen in der grün-roten Koalition? Nicht, wenn man Kretschmann zuhörte, der beispielsweise die Netto-Null im Haushalt 2016 lediglich als gemeinsame Entscheidung betitelte und kein Wort über den Zwist mit Finanzminister Nils Schmid (SPD) verlor.

Feindbild war an diesem Mittag sowieso ein anderer: Die CDU musste regelmäßig Seitenhiebe einstecken, mit denen der Ministerpräsident Lacher und Applaus stets auf seiner Seite hatte. So habe Grün-Rot etwa "den Muff von 60 Jahren CDU entweichen lassen", und die Christdemokraten seien ja schon jetzt nicht mehr regierungsfähig.

Auf zustimmendes Nicken des Juso-Landesvorstands in der ersten Reihe und Applaus aus dem übrigen Publikum konnte sich Kretschmann auch bei den Themen Bildung, Wirtschaft und Homo-Ehe verlassen.

Torrez: keine Studiengebühren durch die Hintertür

Da verziehen ihm die Jusos auch, dass er über das Wort "digital natives" derart stolperte, dass man es nur noch erraten konnte, und selbst die Kritik an der Rentenpolitik der Bundesregierung, "an der die SPD beteiligt ist, die Grünen nicht", wurden mit Applaus aufgenommen.

Herrera Torrez betonte zwar gleichfalls, dass "die SPD die Grünen braucht, und die Grünen die SPD", redete im Anschluss dann aber doch ein bisschen mehr von "wir, die SPD und die Jusos". Auf "Druck der SPD" gebe es nun mehr Lehrerstellen, die Abschaffung der Studiengebühren sei Verdienst der Jusos. Außerdem möge Kretschmann doch Theresia Bauer (Grüne), Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, einen Riegel vorschieben, die versuche, diese durch die Hintertür wieder einzuführen. Ebenso seien die Einrichtung der NSU-Enquete-Kommission und der Gemeinschaftsschulen auf Forderungen der Jusos zurückzuführen.

Ob Kretschmann überrumpelt war, dass aus einem grünen Flaggschiff nun ein Verdienst der roten Jugend wurde, ließ sich an seinem Gesicht nicht ablesen. Ebensowenig, was er über Herrera Torrez’ Ankündigung "Wir freuen uns auf die Landtagswahlen 2016 und wollen mit den Grünen weiterarbeiten, aber diesmal wollen wir den Ministerpräsidenten stellen" dachte, laut der er in zwei Jahren des Amtes enthoben wäre. Applaus spendete er jedenfalls keinen.

Dafür bewies er Humor, als er auf dem Weg nach draußen von einer Gruppe Jusos abgefangen und um Fotos gebeten wurde. Kretschmann ließ sich gut gelaunt ablichten und war sogar für ein Selfie mit vier Jusos zu haben, die sich vor ihm verbogen – samt Peace-Zeichen in die Kamera. Ein Selfie mit Kretschmann als gelungener Abschluss eines Besuchs, der ankam – oder, wie es einer der Jungsozialisten formulierte, während der Grünen-Politiker in seiner klimafreundlichen S-Kasse davonrauschte: "Der hat hier gar nicht schlecht reingepasst."