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Besucherzahlen bleiben hinter Erwartungen zurück. Balingen steht als "Kunststadt" vor Neuausrichtung. Mit Kommentar

Balingen - Gemischte Bilanz – und wohl eine andere Zukunft: Die große Ausstellung mit Werken Ernst Ludwig Kirchners war wohl die letzte dieser Art in der Stadthalle. Balingen wird sich als Kunststadt neu ausrichten.

Diese Tendenz ist am Mittwoch bei einem Gespräch mit Oberbürgermeister Helmut Reitemann und Stadthallen-Chef Matthias Klein deutlich geworden. Die Zeit der großen Ausstellungen sei in Balingen wohl vorbei, sagten beide. Seinem Ruf als Kunststadt wolle Balingen gleichwohl treu bleiben – wenn auch mit anderen Formaten und, wie es Reitemann formulierte, mittels einer "besseren Identifikation zwischen der Kunst und den Balingern". Statt wie erhofft bis zu 50.000 und wie kaufmännisch kalkuliert rund 30.000 kamen bis zum Ende der Ausstellung 20.078 zahlende Besucher in die Stadthalle, um sich die Werke des großen Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner anzuschauen. Damit bleibe man, sagten Reitemann und Klein, klar hinter den Erwartungen zurück – auch wenn diese in Balingen aufgrund der großen Erfolge in der Vergangenheit sehr hoch seien.

Die genaue Abrechnung für die Ausstellung liegt noch nicht vor. Klein prognostiziert, dass der vom Gemeinderat genehmigte Zuschussbedarf von 250.000 Euro wohl nur leicht überschritten werde.

Abgesehen vom finanziellen Aspekt, betonten Reitemann und Klein, sei die Schau durchaus ein Erfolg gewesen: Die Ausstellung habe von den Besuchern viel Lob erfahren, sei in der Fachwelt gut angekommen, und das Begleitprogramm, das Kunstzelt der Jugendkunstschule, sei überraschend positiv angenommen worden: Mehr als 500 Kinder setzten sich darin mit Kirchner und der Kunst auseinander. Insgesamt, so Klein, könne Balingen alles in allem stolz auf die Ausstellung sein sowie darauf, in einem schwieriger werdenden Umfeld 20.000 Besucher mit der Kirchner-Schau angelockt zu haben.

Der OB und der Stadthallenchef betonten ebenso, dass Balingen eine Stadt der Kunst und Kultur bleiben solle. Ein möglicher Ansatzpunkt sei, mehr auf das Motto "Aus der Stadt für die Stadt" zu setzen – und insbesondere an die jüngsten Street-Art-Projekte im Stadtgebiet anzuknüpfen. So sei die Gestaltung der Stromkästen oder der Brückenunterführungen sehr gut angekommen und auch bei hiesigen Kreativen auf große Begeisterung gestoßen; dieser Schwung könnte, sagten Reitemann und Klein, möglicherweise zur Geburt eines Street-Art-Festivals in Balingen führen, das in einem der nächsten Jahre an die Stelle der großen Ausstellung in der Stadthalle treten könnte.

Fest stehe, dass sich Balingen als Kunststadt neu definieren müsse – dies auch deshalb, weil sich das Umfeld für die großen Schauen in den vergangenen Jahren unter anderem aufgrund der größeren Konkurrenz deutlich geändert habe.

Kommentar: Chance für Klein

Von Detlef Hauser

Es ist keine Überraschung, dass die Stadt Balingen mit der Kirchner-Ausstellung baden gegangen ist und einen fetten Verlust eingefahren hat. In den vergangenen Wochen war der Besucherandrang mehr als überschaubar, und auch schon die vorangegangenen Ausstellungen mit bekannten Werken von Erich Heckel und Gustav Klimt haben die Erwartungen bei weitem nicht erfüllt. Deshalb: Die Zeit großer Ausstellungen dieser Art in der Balinger Stadthalle ist endgültig vorbei. Dennoch muss Balingen nicht um seinen guten Ruf als Kulturstadt fürchten, das Angebot ist weiterhin groß, und es soll ein Street-Art-Festival dazukommen. Vielleicht zaubert Matthias Klein ja etwas völlig Neues aus dem Hut, das für Aufsehen sorgt. Dadurch würde es ihm gelingen, rasch aus den großen Fußstapfen seines Vorgängers Ulrich Klingler herauszutreten.