Außergewöhnliches Konzert des "Quatuor Voce" in der Balinger Stadthalle / Wunderbare Zugabe

Von Friedrich Dold

Balingen. Das Streichquartett ist die Krone der Kammermusik – das wurde im Rahmen der "Balinger Konzerte" in der Stadthalle wieder deutlich. Diesmal war es das "Quatuor Voce", das mit phänomenalem Spiel die vielen Zuhörer in Staunen versetzte.

Die französischen Geigerinnen Sarah Dayan und Cécile Roubin haben das Ensemble vor zehn Jahren gegründet. Derzeit sind der Bratschist Guillaume Becker und die aus England stammende Cellistin Lydia Shelley mit im Boot. Sie konzentrieren sich nicht aufs klassische Konzertpodium, sondern betätigen sich auch als neugierige Grenzgänger. Sie vergeben Kompositionsaufträge, arbeiten mit Folksängern oder Bandoneon-Spielern zusammen, besuchen Schulen, organisieren Festivals. Sie verzetteln sich aber nicht, sondern hauchen ihrer Perfektion Leben ein, das die Zuhörer anspringt.

Dies zeigte sich schon in Mozarts "Quartett KV 499", das etwas einzelgängerisch, ja spröde wirken kann – wenn es nicht das "Quatuor Voce" in die Hände bekommt. Sie gestalteten Anfang und Schluss des Kopfsatzes zart, erwartungsvoll und vollkommen überzeugend. Gleiches lässt sich sagen vom Adagio und vom Finale mit seinen wirbelnden Triolen.

Ravels "Streichquartett" ist klar und einfach in der Struktur, die Themen konsequent durchgeführt, die vier Sätze deutlich aufeinander bezogen. Aber diese Klarheit verschleiert Ravel immer wieder durch raffinierte Spieltechnik, überraschende Harmonik und Rhythmik – ein gefundenes Fressen für das "Quatuor Voce". Ihr Sinn für Klangfarben, ihre lupenreine Intonation und die dynamische Skala vom Klangsturm bis zur Unhörbarkeit machten Ravels Quartett zu einem geschliffenen Diamant.

Den gewichtigen Abschluss bildete Schuberts Quartett D 810 "Der Tod und das Mädchen". Der Widerstreit von bitterer und erlösender Todes-Sehnsucht war in der Interpretation des "Quatuor Voce" von Anfang an präsent. Wieder fiel auf, wie perfekt die Vier als lebendige Einheit agieren. Es gibt bei ihnen keinen ersten Geiger, der "führt", die Plätze eins und zwei sind austauschbar. Sie haben es auch nicht nötig, mit einem brachialen Eingangsmotiv in Schuberts Quartett einzusteigen – hintergründige Drohung wirkt stärker.

Bewegender Höhepunkt war natürlich der Variationssatz: flüssig, aber intensiv, auch im federleichten Piano-Spiel der ersten Geige. Das Publikum war gebannt. Das Scherzo fegte kurz und schmerzhaft vorüber, und im Finale gelang trotz heftiger Bewegung eine gegliederte Wiedergabe, was die dynamischen und modulatorischen Rückungen deutlich und so unangenehm machte, wie sie sein sollen. Es folgten ein großer Beifall und eine wunderbare Zugabe: "La Oración del Torero" von Joacquin Turina.