Haselzweig und Wolf: Vor 30 Jahren wählten die Bewohner dieses Motiv aus

Balingen-Heselwangen (jet). Seit nunmehr 30 Jahren hat Heselwangen ein eigenes Wappen – nicht verliehen von der Obrigkeit, sondern ausgewählt und sich selbst gegeben von der Heselwanger Bürgerschaft. Anlass für die Wappenvergabe war die 50-jährige Zugehörigkeit von Heselwangen zur Stadt Balingen im Jahr 1984.

Bekanntlich wurde Heselwangen im Jahr 1934 als erster Stadtteil in die Stadt Balingen eingemeindet. Nach außen wurde der damalige Zusammenschluss als ein von den Heselwangen gewünschter Akt dargestellt – in Wahrheit war es aber eine von den damaligen nationalsozialistischen Kommunalpolitikern angeordnete Eingemeindung. Eine Gemeinde, die bei den Wahlen in den Jahren 1933 und 1934 noch mehrheitlich die SPD wählte – die passte nicht mehr in die politische Landschaft.

Heselwangen gehörte von 1934 an zu Balingen und das sollte auch nach Ende des Krieges und Ende der nationalsozialistischen Herrschaft so bleiben. Von der Selbständigkeit zeugten danach nur noch die eigene Kirchengemeinde, die Schule bis 1972 und insbesonders die Heselwanger Vereine. Eine geringe kommunalpolitische Mitsprache wurde den Heselwangern durch ein Mandat im Stadtrat der Stadt Balingen gewährt.

Im Jahre 1984, also 50 Jahre nach der Eingemeindung zu Balingen, überlegte die Heselwanger Vereinsgemeinschaft, ob die Heselwanger sich an dieses Ereignis erinnern und eine Art Goldhochzeit feiern sollten. Nach eingehender Beratung wurde beschlossen, mit einem Heimatfest an das Ereignis zu erinnern und gleichzeitig noch die Reste einer Eigenständigkeit zu zeigen und zu betonen. Bei den Festvorbereitungen wurde auch die Idee geboren, sich ein Wappen zu geben.

Alle anderen Stadtteile, die in den 1970er-Jahren im Zuge der Kreis- und Gemeindereform zur Stadt Balingen gekommen waren, konnten so ein Wappen vorweisen, beispielsweise die Engstlatter mit dem Posthorn oder die Ostdorfer mit dem Pflug. Beim Entwerfen des Heselwanger Wappens half der damalige Stadtarchivar Hans Gaiser.

Insgesamt wurden 20 unterschiedliche Vorschläge gezeichnet. Fünf davon kamen dann in eine engere Auswahl - wurden fotokopiert und an die Heselwanger Haushalte verteilt. Abgestimmt wurde in den Gaststätten und Lebensmittel-Verkaufsstellen.

Die Idee eines Stadteilwappens kam gut an – und auffallender Weise nahmen insbesondere viele nach Heselwangen zugezogene Neubürger an der Abstimmung teil. Mit deutlicher Mehrheit wurde dann das Motiv ausgewählt, das einen stilisierten Haselzweig – Bezug nehmend auf das "Hesel" im Namen von Heselwangen, das sich wohl von einem mit "Hasel" bestandenen "Wang" (Feld) ableitet – sowie den Wolf und damit den Spitznamen der Heselwanger zeigt (siehe Info). Nach Absegnung durch den Gemeinderat wurde das Wappen offiziell vorgestellt. Im Rahmen des Heimatfests war es erstmals auf einer Fahne zu sehen.

Zwischen den Balingern und den Heselwangern gab es immer wieder Streit. Meist ging es um Weiderechte. So beispielsweise zu der Zeit, als Hans Friederich von der Degernau württembergischer Vogt zu Balingen war – das war von 1600 bis 1629. Es ging um den Weidgang, Viehtrieb und anderes Gerechtes am Hirschberg unweit des heutigen Hirschberghofes oder Langschen Hofes, von dem die Heselwanger damals auch ihren Teil forderten. Dort verläuft auch noch heute die Markungsgrenze zwischen Balingen und Heselwangen, und eine Flur dort an der Grenze trägt den Namen "Hädern", den der verstorbene Flurnamenforscher Walter Dreher von "Hader" – Streit – ableitete. Der Hader kam vor ein Schiedsgericht, dem Hans Friederich von Degernau als Vogt vorsaß. Die Balinger bezichtigten die Heselwanger zahlreicher Diebstähle an Schafen und Vieh. Die Heselwanger aber in ihrer Schläue luden alle Schuld bei den Wölfen ab, die damals noch in Rudeln die Waldgebiete unsicher machten. Da es nun nie gelungen war, einen Heselwanger solcher Tat zu überführen, blieb dem Vogt nichts anderes übrig, als den gutmütig dreinblickenden Heselwanger zu glauben, zumal sie es als alte Waldgänger auch verstanden hatten, einige der Raubtiere zu erlegen und dem Vogt zum Geschenk zu machen. Den Balingern blieb nichts als ein hinuntergewürgter Groll. Wenn aber wieder einmal dieses oder jenes schöne Stück aus den Balinger Herden fehlte, zwinkerten sie nur mit den Augen und meinten "Jo, jo die Wölf!". Wen sie damit meinten wussten nur sie. Die Heselwanger aber sind die "Wölfe" geblieben bis auf den heutigen Tag.