Der Balinger AfD-Landtagsabgeordnete Stefan Herre zieht nach einem Jahr im Stuttgarter Landtag Bilanz und stellt seine 20-seitige Broschüre "Einblick in den Landtag" vor. Foto: Maier Foto: Schwarzwälder-Bote

Politik: Balinger AfD-Landtagsabgeordneter zieht nach seinem ersten Jahr Bilanz

Balingen. "Das ist ein Vollzeitjob. Da bleibt keine Zeit für andere berufliche Dinge", sagt der Balinger Stefan Herre, der seit einem Jahr für die AfD im Stuttgarter Landtag sitzt. Gleichwohl macht sich der 25-jährige Abgeordnete Gedanken über seine berufliche Zukunft. "Wer weiß, wie es nach der Legislaturperiode weitergeht, ob ich wieder gewählt werde."

Das bedeute, man müsse ein zweites Standbein haben. Wichtig außerdem: "Man darf die Bodenhaftung nicht verlieren." Und noch eins. Als Politiker sei man eine Person des öffentlichen Lebens. Da müsse man schon aufpassen, was man sage. "Das ist dann nicht mehr nur die persönliche Meinung von Stefan Herre, sondern wird auch gleich als Meinung der Fraktion interpretiert."

Nach einem Jahr Landtagsarbeit zeige sich die AfD-Fraktion gefestigt und sei operativ gut aufgestellt. Herre: "Es ist Ruhe eingekehrt." Dass es in einer jungen Partei, in der Menschen mit ganz verschiedenen Meinungen vertreten seien, einen "Schleifprozess" gebe, sei natürlich. Aber: "Man muss letztlich eine Mehrheit finden und diese akzeptieren." Seine Fehde beziehungsweise Auseinandersetzung mit seinem Fraktionskollegen Stefan Räpple, der im Plenum mit einem "Volksverräter"-Zwischenruf aufgefallen war, sei erledigt, sagt Herre. "Er hat sich bei mir entschuldigt, die Fraktion hat ihn sanktioniert." Richtig sei gewesen, dass die Partei den gekürten Bundestagskandidaten für den Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen, Heinrich Fiechtner, abserviert hat. "Wenn sich jemand geschäftsschädigend verhält, muss ich das als Kreisvorsitzender abstellen."

Die Einschätzung, dass die AfD immer mehr nach rechts drifte, mag der Balinger Politiker nicht nachzuvollziehen. Die AfD sei eine "konservativ-bürgerliche Bewegung", die wichtig sei für das Land, weil die CDU viele konservative Wertvorstellungen aufgegeben habe.

Herre geht davon aus, dass die AfD im nächsten Bundestag die drittstärkste Kraft sein wird. Bei der Landtagswahl vor einem Jahr holte er 18,1 Prozent der Stimmen. Für die nun anstehende Wahl rechnet er für seine Partei im Wahlkreis mit "15 bis 20 Prozent". Die AfD kämpfe um jede Erst- und Zweitstimme und wolle einen engagierten Wahlkampf führen.

Als den größten politischen Erfolg im ersten Jahr seiner Abgeordnetentätigkeit stuft Herre die von ihm initiierte Große Anfrage in Sachen "Aussterben der Metzgereien und Bäckereien im ländlichen Raum" ein. Diese habe einen großen Hype ausgelöst. Sogar das Kabinett habe sich mit dem Thema befasst.

Dass ihm angesichts seiner mehr als 120 Kleinen Anfragen vorgeworfen wird, die Regierung ordentlich auf Trab zu halten beziehungsweise zu blockieren, stört ihn nicht, im Gegenteil: "Das ist doch ein legitimes Kontrollmittel der Opposition, sich Informationen zu beschaffen." Im Übrigen: "Andere Parteien machen das genauso."

Als "ironische Aussage, um dieses Thema zu skandalisieren" stuft er seine Ausführungen "zum Vogel mit Migrationshintergrund, dem 1994 eingewanderten Kormoran" ein. Dieser dürfe ungehindert jährlich 300 Tonnen Fisch fressen, während die Politik ein Angelverbot für Kinder unter zehn Jahre verhänge.

Die Fraktion setze sich für die Wiedereinführung der Grundschulempfehlung ein, unterstütze das dreigliedrige Schulsystem, fordere ein Einwanderungsgesetz und die konsequente Abschiebung aller Wirtschaftsflüchtlinge, unterstütze Metzgereien, Bäckereien, Apotheken und die Hebammen im ländlichen Raum und lehne Umweltzonen als falschen Ansatz ab, weil damit Autofahrer enteignet würden und die Feinstaubproblematik nicht gelöst werde.

Bislang freilich ist noch kein einziger Vorschlag der AfD umgesetzt worden, gibt Herre zu, aber: "Die anderen Fraktionen bringen unsere Anträge dann in abgewandelter Form wieder ein", während die AfD sinnvolle Vorschläge anderer Parteien unterstütze.

Kritik übt er an der Reform der Polizeireform; die AfD habe mehr Polizeipräsidien gefordert. Er begrüßt den Stopp der Windkraftanlagen in Gammertingen, unterstützt den Bau der Lautlinger Umfahrung auf der amtlichen Trasse und auch den Ausbau der B27 zwischen Balingen und Rottweil, "der schon längst hätte geschehen sollen".

Insgesamt wünscht sich Stefan Herre einen "anderen Umgang mit der AfD", über die einseitig berichtet werde. Sein Appell an die Bürger: "Sprecht lieber mit uns als über uns." Der Wahlkampf biete dafür gute Möglichkeiten.