Prozess: Vorfall auf Balinger Marktplatz kann in Verhandlung vor dem Amtsgericht nicht aufgeklärt werden

Balingen. Am Ende, nachdem die drei Angeklagten, das Opfer, zwei Zeugen und ein Polizist zu Wort gekommen sind, sind sich Richterin Goßger, Staatsanwältin Hausmann und die drei Verteidiger Ambruster, Erath und Karle einig: Das, was vor ziemlich genau einem Jahr auf dem Balinger Marktplatz geschehen ist, lässt sich mit den Methoden des Strafrechts nicht aufdröseln. Das Verfahren gegen drei junge Männer aus Balingen, angeklagt wegen gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung, wird eingestellt. Die Kosten trägt die Staatskasse.

Dass etwas vorgefallen ist, daran besteht kein Zweifel. Ein Zeuge, der vor dem Time Out am Abend des 14. März 2016 um kurz vor 21 Uhr gerade eine Zigarette rauchte, beobachtete, wie ein Mann am Brunnen von drei Männern angegangen, geschlagen und getreten wurde. Eindeutig identifizieren aber konnte er die Übeltäter nicht. Ob es die drei gewesen sind, die am Donnerstag auf der Anklagebank saßen? "Weiß ich nicht sicher".

Wurde der Mann angegangen, weil er als lästig empfunden wurde?

Das Opfer war ein in Balingen stadtbekannter, 38 Jahre alter Mann, der Passanten in der Friedrichstraße regelmäßig, bisweilen in aufdringlichem, aggressivem Ton um Geld bittet. Ob er vielleicht deswegen angegangen wurde? Aggressionen gegen einen in ihren Augen lästigen Mann? Diese Lesart des mutmaßlichen Geschehens deutete sich als Möglichkeit ab. Der 38-Jährige kannte mindestens zwei der Angeklagten von früheren Begegnungen, einer davon soll ihm gedroht haben, er werde ihn "noch kennenlernen".

Vor Gericht aber hatte der 38-Jährige keine klare Erinnerung. Bei der Vernehmung durch die Polizei unmittelbar nach der Tat hatte er den angeblichen ersten Angreifer eindeutig identifiziert – vor Gericht sagte er nun aus, dass genau dieser junge Mann ihn nicht federführend geschlagen habe. Sondern ein anderer, der aber gar nicht auf der Anklagebank sitze. Ob diese unterschiedlichen Wahrnehmungen eine Folge davon sein könnten, dass er zu diesem Zeitpunkt regelmäßig starke Medikamente, Neuroleptika, nehmen musste, fragte die Richterin. "Vielleicht, kann sein", so der 38-Jährige.

Sicher aber wisse er heute noch, dass er von drei Männern angegangen, beleidigt, heftig malträtiert und am Kopf, im Gesicht und am Oberkörper verletzt worden sei – warum, das wisse er nicht. Mit seiner Krücke, die er wegen eines Knieschadens immer mit sich führe, habe er sich zu wehren versucht, einen der Angreifer dabei auch am Rücken getroffen.

Tipp von der Richterin: "Gehen Sie sich künftig besser aus dem Weg"

Ganz anders wiederum schilderten die drei Angeklagten den Hergang: Demnach habe das vermeintliche Opfer einen von ihnen nach Feuer gefragt, um sich eine Zigarette anzuzünden, dies angeblich in recht unfreundlichem Ton. Darauf sei er nicht eingegangen und einfach weitergelaufen, so der 23-Jährige – und plötzlich habe er einen Schlag mit der Krücke in den Rücken bekommen. Seine zwei Kumpels, mit denen er davor in der Römerklause ordentlich gebechert hatte, seien zu Hilfe gekommen, hätten schlichten wollen. Einen Angriff? Habe es gar nicht gegeben.

Dass die drei mutmaßlichen Angreifer allesamt zunächst versucht hatten, sich für die Tatzeit ein falsches Alibi zu verschaffen, und erst vor Gericht zugaben, in den Vorfall verwickelt gewesen zu sein, sprach nicht unbedingt für sie. Andererseits muss ein Gericht für einen Schuldspruch von der individuellen Beteiligung und der Schuld überzeugt sein – genau das war den drei jungen Männern nicht nachzuweisen. Ganz zu schweigen davon, dass das mutmaßliche Opfer als Zeuge einen desolaten Eindruck hinterließ. Einstellung also. Und zum Schluss ein Tipp von Richterin Goßger: "Gehen Sie sich künftig vielleicht besser aus dem Weg."