Gerd Ulrich (links) verfolgt gestern die Ortsvorsteher-Wahlen im Gemeinderat. Ulrich fiel bei den Abstimmungen zweimal durch und wird damit vorerst nicht Ortsvorsteher von Endingen. Neben ihm sitzt sein Bruder Rolf Ulrich. Foto: Maier

Kandidat Gerd Ulrich für Endingen fällt im Stadtgremium gleich zweimal durch. Alle anderen sind im Amt. Mit Kommentar.

Balingen - Die Ernennungsurkunde lag parat, und dann das: Gerd Ulrich, vom Endinger Ortschaftsrat zum künftigen Ortsvorsteher gewählt, ist am Dienstag im Balinger Gemeinderat durchgefallen. Der vom Endinger Gremium in der vergangenen Woche schon abgesägte Ortsvorsteher Walter Ladenberger bleibt damit geschäftsführend im Amt.

Mit der Nicht-Wahl Ulrichs ist die politische Geschichte Balingens um eine besondere Episode reicher: Zum ersten Mal seit Gründung der "Neuen Stadt" vor rund 40 Jahren ist ein von einem Ortschaftsrat gewählter und dem Gemeinderat für das Amt des Ortsvorstehers vorgeschlagener Kandidat vom Stadtparlament abgelehnt worden.

Der Gemeinderat muss die Wahlen der Ortsgremien bestätigen; die Wahlen der Ortsvorsteher der anderen acht Balinger Teilorte sowie deren Stellvertreter ging gestern ohne weitere Probleme über die Bühne.

Endinger Gremium muss erneut wählen

Insgesamt gab es 29 Wahlgänge; zwischendurch gingen sogar die Wahlzettel aus. Abgestimmt haben gestern 30 Stadträte (mit Margit von Haaren und Frank Gess waren zwei entschuldigt), außerdem Oberbürgermeister Helmut Reitemann. Neu im Amt sind Klaus Jetter (Engstlatt, 30 Ja-Stimmen) und Manfred Schneider (Weilstetten, 31). Im Amt bestätigt wurden Manfred Sautter (Erzingen, 31), Hans Uhl (Frommern, 17 – wie immer knapp), Berthold Roller (Heselwangen, 31), Helmut Haug (Ostdorf, 30), Heinz Jenter (Streichen, 30) und Björn Gruner (Zillhausen, 30).

Gerd Ulrich dagegen erhielt im ersten Wahlgang nur neun, im anschließenden zweiten Wahlgang dann elf der 31 Stimmen. Für eine gültige Wahl wären mindestens 16 Stimmen notwendig gewesen. Noch magerer war das Ergebnis für Jochen Urban, den der Ortschaftsrat als Ulrichs ersten Stellvertreter gewählt hatte: sechs Stimmen im ersten, sieben im zweiten Wahlgang.

Damit verliefen die Wahlen des Endinger Ortsvorstehers und dessen ersten Stellvertreters ergebnislos – mit der Konsequenz, dass das Endinger Gremium nach der Sommerpause erneut wählen und dem Gemeinderat einen neuen Vorschlag für die Besetzung dieser beiden Posten machen muss. Die Wahl Klaus-Dieter Schwabenthans zum zweiten stellvertretenden Ortsvorsteher verlief indes glatt: Schon im ersten Wahlgang erreichte er 27 Stimmen.

Bis zu einer vom Gemeinderat bestätigten Wahl bleibt Walter Ladenberger als geschäftsführender Ortsvorsteher im Amt. Er ließ gestern offen, ob er für das Amt erneut kandidieren wird. Dazu werde es in den nächsten Wochen Gespräche geben.

Dass es bei der Wahl des Endinger Ortsvorstehers eng zugehen könnte, hatte sich nach der turbulenten Sitzung des Ortsgremiums am Montag vergangener Woche angedeutet (wir berichteten). Zwei Lager stehen sich dort nach den Kommunalwahlen im Mai gegenüber – auf der einen Seite die Vertreter der Vereinigten Wählerliste (sechs Mandate) mit Stimmenführer und Stimmenkönig Walter Ladenberger, auf der anderen Seite die Bürgerliste (fünf Mandate) um Stimmenführer Jochen Urban. Gerd Ulrich hatte auf der Vereinigten Wählerliste kandidiert – und war dann mit den Stimmen der Bürgerliste zum neuen Ortsvorsteher gewählt worden.

Walter Ladenberger hatte dieses Vorgehen in den vergangenen Tagen scharf kritisiert, ebenso die "Spaltung des Endinger Gremiums", die die Vertreter der Bürgerliste seiner Meinung nach betrieben haben. Diese wiederum kritisierten Ladenberger dafür, dass er nach den Wahlen das Gespräch mit ihnen nicht gesucht habe.

Ganz offensichtlich bewertete die Mehrheit des Gemeinderats die Art und Weise der Endinger Ortvorsteherwahl ebenfalls kritisch. Das Stadtgremium habe erkannt, so Ladenberger, dass eine kleine Gruppe ein "böses Intrigenspiel" mit dem Ziel, ihn aus dem Amt zu kegeln, gestartet habe. Für Gerd Ulrich tue es ihm leid, so Ladenberger, weil sich dieser vor den Karren der Bürgerliste habe spannen lassen.

Von einer Intrige sprach gestern derweil auch Gerd Ulrich. Da habe "jemand" nach der Abstimmung im Ortschaftsrats "kräftig gerührt". Ulrich bekräftigte im Gespräch mit unserer Zeitung, dass er weiterhin, trotz der Nicht-Wahl durch den Gemeinderat gestern, als Kandidat für das Amt des Endinger Ortsvorstehers zur Verfügung stehe. Wenn allerdings Ladenberger erneut zum Ortsvorsteher gewählt werde, dann werde er das Endinger Gremium verlassen: Eine weitere Zusammenarbeit sehe er als unmöglich an.

Kommentar: Einmalig

Von Steffen Maier

Kleiner Ort, großes Aufsehen: Zum ersten Mal seit 1975, seit Bestehen der "neuen Stadt Balingen", akzeptiert der Gemeinderat einen von einem Ortschaftsrat vorgeschlagenen Ortsvorsteher nicht – und watscht den Endinger Gerd Ulrich sowie dessen als ersten Stellvertreter nominierten Jochen Urban ab. Üblicherweise akzeptiert das Stadtparlament die Entscheidungen der Ortsgremien. Klar: Der Gemeinderat ist das Hauptorgan. Aber ist er weiser als die Ortschaftsräte? Ebenso klar: Die Entscheidung für Gerd Ulrich ist auf demokratische Art und Weise zustande gekommen, aber sie hat gleichwohl ein Geschmäckle. Eine Intrige witterte der nun weiterhin geschäftsführende Ortsvorsteher Walter Ladenberger vor seiner Nicht-Wahl im Endinger Gremium. Dasselbe wittert jetzt Gerd Ulrich nach der Nicht-Wahl durch den Gemeinderat. Was bleibt, ist böses politisches Blut. Und genug Zeit für alle, während der Sommerpause über die Sache nachzudenken.