Bei der Arbeit: Hanna Kiepas malt das Zollernschloss auf einen Stromkasten. Die 29-Jährige ist eine von vielen Kreativen, die sich an dem Projekt "Freundliches Balingen" beteiligen.                                                                                                       Fotos: Maier Foto: Schwarzwälder-Bote

Kreative verschönern Stromkästen und öffentliche Flächen

Von Steffen Maier

Balingen. Hanna Kiepas sitzt auf einem Anglerstuhl im Hof zwischem dem Zollernschloss und der Balinger Jugendherberge und taucht mit ihrem Pinsel in die Farbe. Die 29-Jährige bemalt mit fröhlichen Strichen einen Stromkasten mit der Silhouette Klein-Venedigs und des Zollernschlosses. Ganz legal. Sogar ausdrücklich gewünscht. Das Bild steht für sich, zugleich ist es Teil des großen Kunstprojekts, das in dieser Woche in Balingen begonnen hat.

Unter dem Motto "Freundliches Balingen" gestalten Kreative in der gesamten Innenstadt öffentliche Flächen – in erster Linie: Stromverteilerkästen. 30 dieser eigentlich unscheinbaren grauen Dinger stellen die Balinger Stadtwerke für das Projekt zur Verfügung. Sie wurden in den vergangenen Tagen von den künstlerischen Leitern des Projekts, Matze Bartl und Michl Brenner, an die Künstler verteilt und zur Gestaltung freigegeben. Die Stadtwerke wollen damit, wie sie sagen, einen Beitrag zur optischen Belebung des Stadtbilds und zur dauerhaften Verschönerung und künstlerischen Arrondierung der Kernstadt auch jenseits der zentralen Straßen und Plätze leisten.

Das Projekt ist für viele der Beteiligten Neuland, zugleich ist es ein großes Experiment: Kann es tatsächlich gelingen, Balingen durch Kunst zu einer freundlicheren Stadt zu machen? Denn das ist die Grundidee, mit der Brenner und Bartl geworben haben: Dadurch, dass sich grundsätzlich jedermann daran beteiligen kann, werde das Gesamtprojekt – die Summe aller Stromverteilerkästen – zu einer Sache der Balinger und damit zu einem großen Zeichen dafür, dass sich viele für ihre Stadt engagieren und diese mitgestalten. Diese Grundidee sei zugleich ein wirksamer Schutz gegen Vandalismus und Verwahrlosung. Und in diesem Sinn sei das Bemalen, das Besprühen, das Wie-auch-immer-Gestalten der Stromkästen nicht nur ein künstlerisches, sondern eben auch ein soziales Projekt.

Slogan auf Garage, Blumen im Stadtpark, Graffiti am Parkhaus

So sind die Kreativen nun an vielen Ecken und Kästen in der Innenstadt aktiv. Mit dabei sind Künstler aller Altersklassen. Jens Rudischhauser dürfte einer der jüngsten sein. Der 17-Jährige Engstlatter arbeitet in der Straße Im Zwinger mit Sprühdosen an seinem bunten Slogan "Be fair". Dieser solle, sagt er, die Balinger zu einem respektvollen Umgang miteinander anregen. Aufgetragen wird der Slogan auf die Wand einer Garage; den Stromkasten daneben gestaltet der Erzinger Jürgen Haller mit seinen bekannten "Haller-Männchen". Der Stadtpark ist durch Uschi Lohner künstlerisch aufgeblüht; die 67-jährige Balingerin hat dort einen Stromkasten mit Mohnblumen verschönert. Vor dem Parkhaus des Arbeitsamts haben Matze Bartl und Nino Lang ein ganzes Trafohäuschen mit einem großen Graffito besprüht. Nach und nach werden in den nächsten Woche auf diese Art und Weise viele Kunstwerke entstehen, die allesamt im Rahmen einer Vernissage in diesem Sommer vorgestellt werden sollen.

Abgeschlossen sein wird das Projekt damit aber nicht, im Gegenteil – es soll in den nächsten Jahren munter weitergehen. Weitere Stromkästen, weitere öffentliche Flächen könnten, so die Idee von Michl Brenner und Matze Bartl, dazukommen, ebenso weitere Künstler – jeder dürfe sich beteiligen.

Gefördert wird das Projekt auch von der Initiative "Freiraum", die im vergangenen Jahr gegründet wurde und die sich zum Ziel gesetzt hat, die kreativen Potentiale der Balinger ans Tageslicht zu bringen, Künstlern von hier eine möglichst große Bühne zu bieten. Entstanden ist "Freiraum" auch aus der Überlegung, die Geschichte der Kunststadt Balingen, die sich mit den großen Ausstellungen in der Stadthalle einen Namen gemacht hat, auf neue Weise fortzuschreiben – durch Kunst von Balingern für Balinger.