Baut aus Holzfiguren eine "Familienstruktur" auf: Claudia Kanz. Dreimal pro Woche ist sie in der Beratungsstelle von "Feuervogel" zu erreichen. Anja Lotzmann (links) und die anderen drei Vorstandsfrauen helfen ehrenamtlich bei der Organisation mit. Foto: Ungureanu

Anlaufstelle für Opfer sexueller Gewalt hat neuen Standort. Neben Beratung gibt es auch Begleitung zum Frauenarzt oder ins Gericht.

Balingen - Vorbeugung, Information und Beratung: Seit 20 Jahren ist der Verein Feuervogel im Zollernalbkreis Anlaufstelle für Opfer sexueller Gewalt. Vor wenigen Tagen ist die Beratungsstelle aus dem Generationenhaus in der Filserstraße in die Herrenmühlenstraße 1 umgezogen.

Bedarf ist da: Allein im vergangenen Jahr gab es 100 Beratungsfälle und 409 Beratungskontakte. Oft komme der Kontakt zustande, wenn sie mit einem Beratungsprojekt wie "Tarzan und Jane 2.0" in die Schulen gehe, sagt Claudia Kanz. Danach würden Betroffene telefonisch oder per E-Mail Kontakt aufnehmen. "Manchmal suchen die Eltern Rat, eine Freundin ruft an und erzählt, was passiert ist, oder eine Lehrkraft meldet sich, wenn sie einen Verdacht hat."

Nicht nur Jugendliche gehören zur Klientel: "Manche sprechen erst 30 oder 40 Jahre später darüber, was ihnen passiert ist", weiß Kanz. Oft sei es besser, wenn man bei Verdacht nicht sofort zur Polizei oder zum Jugendamt gehe, sondern zunächst abkläre, was das Beste für den Betroffenen sei. Es komme auch vor, dass Betroffene von der Polizei oder vom Jugendamt an eine "insoweit erfahrene Fachkraft" verwiesen werden. Claudia Kanz ist eine solche. Das erste Ziel, das die Diplompädagogin und Fachberaterin für Psychotraumatologie nennt: "Betroffene stabilisieren". Einige Klientinnen würden seit Jahren kommen: "Es gibt ihnen Halt."

Der Kontakt zu Feuervogel sei absolut niederschwellig: "Die Betroffenen bestimmen das Tempo, den Zeitpunkt und wie viel sie erzählen möchten." Sie müssten keinen Antrag stellen, die Beratung sei kostenlos, und die Beraterinnen hätten absolute Schweigepflicht – auch gegenüber dem Vereinsvorstand. "Wir sind allerdings keine therapeutische Einrichtung. Im Zweifelsfall vermitteln wir einen Psychotherapeuten, der mit dem Thema vertraut ist." Oder man nehme Kontakt mit der Polizei oder dem Jugendamt auf. Die Hilfen reichen vom Gang zum Frauenarzt bis hin zur Gerichtsbegleitung.

Die Präventionsprojekte an den Schulen seien gefragt, sagt Kanz: Derzeit laufe das Projekt an der Rossentalschule in Truchtelfingen, am Freitag stelle sie das Projekt am Progymnasium Tailfingen vor.

Claudia Kanz ist eine von drei Fachkräften, die sich eine 100-Prozent-Stelle teilen. Sie ist für Prävention und Fortbildung zuständig und doziert auch an der Hochschule Ludwigsburg, wo angehende Lehrer ausgebildet werden. Die Heilpädagtogin Theresa Ehrenfried übernimmt die Beratung, und Doris Breuninger befasst sich mit den Verwaltungsarbeiten. "Hinzu kommen Vereinsmitglieder, die ehrenamtlich bei der Organisation helfen", sagt Kanz.

Die Stadt Balingen stelle die neu renovierten, fast dreimal größeren Räume mietfrei zur Verfügung, erklärt Anja Lotzmann. Sie ist eine von vier Vorstandsfrauen bei "Feuervogel". Mit ihr engagieren sich Christine Wasner-Gölz, Ingrid Müller und Maria Jensch-Wiget.

Das sei eine große Hilfe, denn im Zollernalbkreis sei die Beratungsstelle für Opfer sexueller Gewalt nicht wie andernorts vom Landkreis finanziert. Es gebe einen Zuschuss vom Landkreis, ansonsten sei die gemeinnützige Einrichtung auf Spenden angewiesen und verdiene noch etwas mit Fortbildungsveranstaltungen oder Projekten wie der Wanderausstellung "Ich verbrenne von innen", die nächste Woche im Stuttgarter Landtag eröffnet wird.

Weitere Informationen: www.feuervogel-zollernalb kreis.de