Häufig muss der Krankenwagen zwischen Albstadt und Balingen pendeln: Abteilungen, die eigentlich zusammengehören, sind zwischen den beiden Klinik-Standorten verteilt. Archiv-Foto: Maier Foto: Maier

Ehemaliger Chefarzt der Chirurgie in Hechingen warnt vor Fehlkonstruktion bei Aufteilung der Klinik-Abteilungen

Hechingen. "Das Konzept, die Klinik für Magen-Darm-Erkrankungen in Balingen und das chirurgische Pendant, die Klinik für Allgemeine und Viszeralchirurgie, in Albstadt anzusiedeln, birgt Gefahren für Leib und Leben von Patienten mit Magen- und Darmblutungen", warnt der ehemalige Chefarzt der Chirurgischen Klinik Hechingen, Professor Georg Breucha. So müssten Patienten aus Balingen mit lebensbedrohlichen Blutungen über die Landstraße zur Operation nach Albstadt transportiert werden. Umgekehrt würden Patienten aus Albstadt nachts und an Wochenenden zur Diagnostik nach Balingen gefahren, um dann im Fall eines operationsbedürftigen Befunds erneut nach Albstadt transportiert zu werden. "Wenn ein Patient durch die langen Transportwege Schaden nehmen sollte, befände sich das Zollernalb-Klinikum wegen Organisationsversagens in einer juristischen Falle", betont der Mediziner. Um für die Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie in Albstadt die formalen Bedingungen für das Zertifikat "Darmzentrum" erfüllen zu können, sei es an der Klinik für Kardiologie notwendig gewesen, zusätzlich Ärzte für Gastroenterologie einzustellen – "ein Konstrukt, das innerhalb deutscher Kliniken zumindest als ungewöhnlich bezeichnet werden muss und das dem ursprünglichen Ziel, Doppelstrukturen abzuschaffen, zuwider läuft". In diesem Zusammenhang erinnert Breucha auch daran, dass der Kreistag bereits im Jahr 2005 auf diese Problematik hingewiesen worden sei. Am Krankenhaus Hechingen seien seinerzeit übrigens Gastroenterologie und Bauchchirurgie gemeinsam etabliert gewesen. Dieser "Pferdefuß mit weitreichenden Folgen", den der frühere Geschäftsführer dem Klinikum hinterlassen habe, müsse als erstes behoben werden, bevor weitere Überlegungen angestellt werden können, mahnt Breucha. "Aber wie soll man sich nun entscheiden?", fragt er. Die Kreisräte seien hier nicht zu beneiden. Die Frage, ob Zweistandortlösung oder Zentralklinikum, drohe zur unendlichen Geschichte zu werden. Sei es sinnvoll, weitere 35 Millionen für die Bestandssanierung des Krankenhauses Albstadt zu bewilligen? "Mit Blumensträußen und Posten im Aufsichtsrat ist dieses Mal die Entscheidung nicht mehr herbeizuführen", sagt Breucha. "Wirtschaftsdatenwurden danach alsfalsch entlarvt" 2005 sei anhand vermeintlich objektiver Wirtschaftsdaten des damaligen Krankenhausgeschäftsführers, die später von der Gemeindeprüfungsanstalt als falsch entlarvt worden seien, den Kreisräten vorgerechnet worden, dass durch die Schließung des Krankenhauses Hechingen und dem damit verbundene Abbau von Doppelstrukturen das Zollernalb-Klinikum bis spätestens 2013 schwarze Zahlen schreiben werde, erinnert sich Breucha. Aber was sind die Fakten? Das Klinikum schreibe weiter jährliche Defizite zwischen drei und vier Millionen Euro, und der derzeitige Krankenhausgeschäftsführer verkünde nun zehn Jahre später als Erfolg, dass das Klinikum inzwischen die Patientenzahlen des Jahres 2008 wieder erreicht habe. Was der ehemalige Geschäftsführer des Klinikums als "Diener zweier Herren" de facto erreicht habe, sei, dass das Zollernalb-Klinikum Patienten aus dem Raum Hechingen, Bodelshausen und Mössingen an die Kliniken in Tübingen und Reutlingen verloren habe. Um dem entgegenzuwirken, hätten DRK und Notärzte den Auftrag, jeden Notfallpatienten in eines der beiden Kliniken des Zollernalbkreises zu bringen. 2005 sei dem Kreistag das zweifelhafte Gutachten eines Stuttgarter Architekturbüros vorgelegt worden, nach dem die Bestandssanierung des Balinger Krankenhauses mit zirka 21 Millionen Euro die günstigste Version wäre. Kreisräte, die auch heute noch aktiv seien, sahen dieses Gutachten als Grundlage für ihre Entscheidung zugunsten des Standorts Balingen. Aber aus der Bestandssanierung sei wohlwissend ein Neubau geworden, eingeklemmt zwischen zwei Straßen und nicht weiter ausbau- und zukunftsfähig. Kostenpunkt: fast 90 Millionen Euro, um nahezu 300 Prozent mehr als ursprünglich geschätzt.