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Stadtarchivar Hans Schimpf-Reinhardt ist im Alter von 64 Jahren gestorben

Im Foyer des Balinger Rathauses bleibt es am Donnerstag ruhig. Eine Kerze brennt an der Infothek. Die Mitarbeiter der Stadtverwaltung trauern um Hans Schimpf-Reinhardt. "Einfach schrecklich", sagt eine Frau und greift nach einem Taschentuch. Der Stadtarchivar, ein Kollege, für viele auch ein Freund, ist am Dienstag im Alter von 64 Jahren gestorben.

Balingen. "Am Sonntag ist hier immer rappelvoll": Diesen Satz sagte Hans Schimpf-Reinhardt vor ziemlich genau vier Jahren während der damaligen Ausstellung "Carrera & Co." zur Geschichte der kleinen Rennerle in der Balinger Zehntscheuer. Er lächelte, als er das sagte, seine Augen lächelten mit, insgesamt aber freute er sich eher leise und zurückhaltend darüber, dass wieder einmal eine der Schauen, die er auf die Beine gestellt hatte, gut ankam. Bescheidenheit, das war eine der Eigenschaften, die Hans Schimpf-Reinhardt auszeichneten.

Er liebte seine Arbeit, ebenso liebte er es, seine Arbeit, die nur auf den ersten Blick eine staubtrockene Angelegenheit ist, öffentlich zugänglich zu machen. Das spürte man beispielsweise als Zuhörer bei Vorträgen: Wenn Schimpf-Reinhardt ein Thema behandelte, dann immer so, dass es ganz bewusst nicht nur für Fachleute interessant war. Er erzählte lebendig, er streute Anekdoten ein. Schimpf-Reinhardt verstand es so, Begeisterung für Geschichte zu wecken. Und so war er ein Glücksfall für Balingen.

"Sein Tod trifft uns völlig unvorbereitet und schmerzt zutiefst. Er hinterlässt in unserer Stadt eine große Lücke, die nur sehr schwer zu schließen sein wird", erklärte Oberbürgermeister Helmut Reitemann am Donnerstag.

Schimpf-Reinhardt stammte aus Reutlingen-Gönningen. Nach dem Abitur studierte er Empirische Kulturwissenschaft und Soziologie an der Universität Tübingen. Anschließend war er zunächst wissenschaftliche Hilfskraft am Ludwig-Uhland-Institut der Uni Tübingen und Zeitangestellter für Archivpflege beim Landkreis Reutlingen.

Zum 1. Februar 1983 erfolgte seine Einstellung bei der Stadt Balingen zunächst in einem Teilzeitbeschäftigungsverhältnis mit der Aufgabe, ein Stadtarchiv sowie Archive der Ortsteile aufzubauen. Zum 1. Dezember 1987 wurde er in ein volles Arbeitsverhältnis als Stadtarchivar übernommen. Im Jahre 1989 promovierte er zum Thema "Gönningen – eine Überlebensgeschichte".

Als Stadtarchivar war Hans Schimpf-Reinhardt ganz in seinem Element, er war ein interessierter Buddler, der die Bestände kenntnisreich aufarbeitete und durchforstete – und quasi in- und auswendig kannte: Oft kam es vor, dass etwa wir von der Redaktion des Schwarzwälder Boten in geschichtlichen Fragen seine Hilfe benötigten – dann genügte ein Anruf, und binnen Minuten hatte Hans Schimpf-Reinhardt Bücher, Akten, Karten oder Fotos herausgesucht und bereitgestellt. "Nehmen Sie’s mit – aber bitte bringen Sie es heil wieder!"

Auch hier merkte man ihm die Freude an seiner Arbeit an, insbesondere wiederum die Freude, sie anderen zugänglich machen zu können. Die Archive der Stadt und der Ortsteile zusammenzuführen war sein Wunsch, sein Ziel.

Neben dem Archiv betreute Schimpf-Reinhardt die städtischen Museen und die Zehntscheuer. Beim Aufbau der Zehntscheuer und der Einrichtung des Heimatmuseums samt der Eckenfelder-Sammlung war er der maßgebliche Kopf, ebenso bei der Konzeptionierung des Waagenmuseums im Zollerschloss. In der Zehntscheuer organisierte Schimpf-Reinhardt zahlreiche Ausstellungen, die weit über Balingen hinaus Beachtung fanden. Das "Haus der Museen" nimmt heute mit bislang mehr als 400 000 Besuchern seit der Eröffnung vor etwas mehr als 25 Jahren eine bedeutende Rolle im kulturellen Leben Balingens ein.

Hans Schimpf-Reinhardt betrieb zudem eigene Forschungen, erstellte Publikationen und multimediale Präsentationen, war an der Herausgabe von Büchern, Bildbänden und Schriften zur Stadtgeschichte beteiligt – so beispielsweise an dem Buch "Balingen 1918 bis 1948 – Kleinstadt im Wandel". Außerdem bot er historische Führungen an und brachte so vielen Menschen die Balinger Stadtgeschichte nahe.

Über seine Tätigkeit in und für Balingen hinaus engagierte sich Hans Schimpf-Reinhardt im Arbeitskreis Wüste und in der Heimatkundlichen Vereinigung. Er war auch der Motor, als es um die Aufstellung von Stelen und damit um die Erinnerung an das Unternehmen Wüste in Frommern, Erzingen und Engstlatt während der Zeit des Nationalsozialismus ging.

Den Kopf frei bekam Schimpf-Reinhardt, der mit seiner Familie in Streichen lebte, bei langen Spaziergängen – und bei den täglichen Fahrten zur Arbeit. Immer mit dem Fahrrad, bei Wind und Wetter, außer, wenn es wirklich Katzen hagelte. Nach Balingen über Zillhausen und Frommern, zurück gerne durch den Wald.

In seinem Heimatort war Schimpf-Reinhardt ebenso engagiert: In der DLRG, als Wachdienstler im Freibad, bei den Jedermännern des TV Streichen. Und wieder als Geschichtler: Er erstellte die Streichener Chronik, auf ihn geht der Streichener Geschichtspfad zurück.

Hans Schimpf-Reinhardt war, so Oberbürgermeister Reitemann, "eine in der Stadt Balingen und weit darüber hinaus anerkannte Persönlichkeit". Er habe sich "bleibende Verdienste erworben". "Unsere Gedanken sind nun bei seiner Frau und seiner Familie", so Reitemann: "Ihr wünschen wir viel Kraft in diesen schweren Tagen".