Von Geächteten, Würdenträgern und mehr: Alfred Jenter stellt sein Buch über die Ortsgeschichte vor

Von Silke Porath

Balingen-Engstlatt. Proppevoll war der Saal im evangelischen Gemeindehaus – und proppevoll mit Geschichten und Anekdoten ist das Buch, das die Zuhörer dorthin lockte: Alfred Jenter hat in der Engstlatter Historie geforscht.

Was übers Dorfleben auf 126 Seiten steht, ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit und Forschung. Jenter hat viele Stunden in den Archiven zugebracht, sich durch manchmal kaum zu entziffernde handschriftliche Akten der vorigen Jahrhunderte gewühlt.

Stadtarchivar Hans Schimpf-Reinhardt zog seinen Hut vor dem Laienforscher und bekannte, den ehemaligen Engstlatter Ortsvorsteher einmal im Archiv eingeschlossen zu haben: "Herr Jenter hat so ruhig und konzentriert gearbeitet, ich habe ihn schlicht vergessen."

Der Autor wurde befreit, so wie auch er viele Anekdoten aus dem Muff der Akten befreite. Die von Ursula Roller, zum Beispiel. Die ledige Bürgerstochter stritt anno 1824 um ihren Platz in der Kirche. Obwohl sie von Johann Jetter zum zweiten Mal schwanger war, wollte sie nicht unter der Empore auf den Bänken der Geächteten Platz nehmen. Damals, so Jenter, waren die gut 400 Plätze in der Kirche stets voll besetzt. Und während des Gottesdienstes patrouillierten Wächter um zu schauen, wer zu Hause geblieben war – denn das waren meistens diejenigen, die die Gebete der Nachbarn dazu nutzten, sich auf deren Feldern kostenlos zu bedienen.

Was im Wandel der Bauerngemeinde zum Industriestandort (Stichwort Maja-Schuhe) alles passierte, regt heute manches Mal zum Schmunzeln an. So mussten die Würdenträger früher nach Feierabend zu Schaufel und Hacke greifen, um das Freibad in Eigenregie auszugraben. Und vor dem umstrittenen Bau des Rathauses in der zu Urgroßvaters Zeiten hoch verschuldeten Gemeinde residierte der Schultes in seinem eigenen Wohnzimmer und wurde mit ein paar Klaftern Holz entlohnt.

Es sind Schlaglichter aus dem Dorfleben, die Jenter zusammengetragen hat. "Sie müssen auch nicht alles auf einmal lesen, so sollen ja länger was von dem Buch haben", gab der Autor den Zuhörern mit auf den Weg. Oberbürgermeister Helmut Reitemann jedenfalls will seine Weihnachtsbriefe mit dem Titelbild des Buches illustrieren.

Für Pfarrer Braunmiller ist das Buch auch deswegen etwas ganz besonderes, weil Alfred Jenter mit seinen Forschungen für den Gemeindebrief begonnen hat, in dem zunächst einfach nur ein paar "Gschichtle aus dem Flegga" standen. Das daraus entstandene Werk wird übrigens allen Jubilaren über 70 geschenkt. "Alle anderen dürfen es gerne kaufen", so Braunmiller augenzwinkernd.