Vor dem Gebäude, in dem künftig das Notariat in Balingen eingerichtet wird, stehen (von links) Bürgermeister Reinhold Schäfer, Oberbürgermeister Helmut Reitemann, Architekt Thomas Link sowie die Notare Frank Michael Hermann, Manfred Seeger und Frank Grigas. Zusammen nehmen die drei Notare dort zum 1. Januar 2018 die Arbeit auf. Foto: Maier Foto: Schwarzwälder-Bote

Reform: Richtfest an der Wilhelm-Kraut-Straße / Kollegen Grigas, Hermann und Seeger tun sich zusammen

Ein Haus? Viel mehr als das: An der Wilhelm-Kraut-Straße in Balingen entsteht derzeit der Standort des künftigen Notariats in Balingen, dem mit der Reform des Notarwesens einige Bedeutung zukommen wird. Am Freitagnachmittag war Richtfest.

Balingen. Unter ein gemeinsames Dach einziehen und ihre Tätigkeit zum Beginn des nächsten Jahres aufnehmen werden die Notare Frank Grigas, Frank Michael Hermann und Manfred Seeger. Alle drei sind derzeit noch als Beamte im Dienst des Landes tätig: Grigas in Tailfingen, Hermann in Pfullingen, Seeger in Schömberg. Dass sie sich in Balingen zusammentun, ist nicht nur eine Folge davon, dass sie sich seit langer Zeit kennen und schätzen.

Es ist vor allem eine Konsequenz der Jahrhundertreform des Notariatswesens in Baden-Württemberg, die zum 1. Januar 2018 umgesetzt wird.

Diese bringt es mit sich, das die Institution des Bezirksnotariats im Land und damit das letzte Staatsnotariat innerhalb der EU abgeschafft wird. Notare sind künftig nicht mehr für hoheitliche Aufgaben tätig: Kümmern sie sich bisher noch um Grundbucheintragungen, Betreuungsangelegenheiten und Nachlasssachen wie Testamentseröffnungen, so gehen diese Tätigkeiten an die Amtsgerichte und dort beschäftigte, weiterhin verbeamtete Notare über. Bei Grundbucheintragungen ist das bereits vollzogen, die Ausgliederung für den hiesigen Bereich erfolgte ans Amtsgericht Sigmaringen.

Alle Notare im Land hatten die Wahl, ob sie weiter Staatsdiener sein wollten oder vom 1. Januar 2018 an Freiberufler – Grigas, Hermann und Seeger haben sich für die Selbstständigkeit entschieden. Statt Gebühren für den Staat einzutreiben und dafür Bezüge zu erhalten, arbeiten sie künftig auf eigene Rechnung, die Gebühren gehören ihnen allein. Dafür müssen sie an der Wilhelm-Kraut-Straße den laufenden Betrieb finanzieren und die Miete bezahlen. Letzteres bleibt, wenn man das so sagen will, innerhalb der Familie: Die drei Ehefrauen von Grigas, Hermann und Seeger haben sich zur GHS Immobiliengesellschaft zusammengetan, die Eigentümerin des Erdgeschosses sowie der ersten beiden Stockwerke ist, wo künftig das Notariat zuhause ist. Unterm Dach wird eine Wohnung eingerichtet – stolze 184 Quadratmeter groß, Blick auf die Eyach, den Heimlichen Wasen bis zum Hohenzollern.

Beim Richtfest betonte Oberbürgermeister Helmut Reitemann den Stellenwert des Gebäudes für die Stadtentwicklung: Das "stattliche Haus" schließe eine zuvor jahrzehntelang bestehende Lücke an der Wilhelm-Kraut-Straße, dem südlichen Eingang zur Innenstadt. Zudem sagte Reitemann, er sei stolz, dass Balingen auch nach der Reform Standort eines Notariats bleibe. Das sei wichtig für die Stadt.

Für den Zollernalbkreis hatte die Landesregierung noch unter der früheren CDU-FDP-Regierung die Standorte der künftigen Notariate festgelegt: Balingen ist neben Albstadt und Hechingen einer von künftig drei im Zollernalbkreis. Und auch sonst bleibt das Notarswesen trotz der Reform strengstens staatlich reglementiert.

Das Aufgabenfeld der künftig freiberuflichen Notare umfasst Beurkundungen im strengen Sinne – Kaufverträge für Immobilien etwa, aber auch Vorsorge- und Betreuungsvollmachten, Testamente oder Anmeldungen fürs Handelsregister. Was freiberufliche Notare wie Grigas, Hermann und Seeger zudem von anderen Freiberuflern unterscheidet, ist, dass die Zahl der Stellen durch das Land begrenzt wird. Mit der Reform bricht also nicht der schrankenlose Wettbewerb aus: Einfach so ein Notariat eröffnen, wo es einem gefällt – das ist nicht möglich.

Kleinere Standorte wie Schömberg oder Rosenfeld fallen weg – Zentralisierung ist also das Stichwort, der Rückzug aus der Fläche. Was für die Kundschaft bedeutet, dass sie mitunter längere Fahrwege in Kauf nehmen muss. Andererseits gilt nun die freie Notarswahl – man kann sich an denjenigen wenden, der einem, unabhängig vom Wohnort, am ehesten zusagt, den man kennt, dem man vertraut.

Wie ihre anderen Kollegen müssen die Balinger Notare damit künftig vermehrt Eigenwerbung betreiben, auch das bringt das Freiberuflertum mit sich. Denn auch wenn die Konkurrenz durch die Stellenbeschränkung grundsätzlich beschränkt ist, so ist sie doch andererseits riesig: Den Kaufvertrag für eine hiesige Immobilie kann man auch in Hamburg aufsetzen lassen. Teurer wären in diesem Fall nur die Fahrtkosten: Die Notarsgebühren sind bundeseinheitlich gleich hoch.