Gut gefüllt beim gemeinsamen Neujahrsempfang von IHK und Handwerkskammer: die Balinger Stadthalle. Fotos: Ungureanu Foto: Schwarzwälder-Bote

Flüchtlinge: Gemeinsamer Neujahrsempfang von Industrie- und Handelskammer sowie Handwerkskammer rund um aktuelles Thema

Von Gert Ungureanu

Balingen. 1,4 Millionen Menschen sind bis dato nach Deutschland gekommen auf der Flucht vor Krieg und Elend. Um sie drehten sich die Gespräche beim Neujahrsempfang der Industrie- und Handelskammer (IHK) und der Handwerkskammer Reutlingen (HK). Allem voran stellte Moderator Nikos Andreadis die Frage, ob man in zehn Jahren werde sagen können: "Wir sind stolz, dass wir es gemeistert haben. Es hat sich gelohnt."

In zwei Talkrunden wurden Antworten gesucht. In der ersten steckten Landrat Günther-Martin Pauli und die beiden Kammerpräsidenten Harald Herrmann (HK) und Christian O. Erbe (IHK) die Ziele für die nächsten Jahre ab. In der zweiten berichteten Hotelbesitzer Rainer Autenrieth (Münsingen), Schulleiter Hans-Joachim Stark (Reutlingen) und Claudia Sander (Freundeskreis Asyl Ammerbuch) von ihren Erfahrungen mit den Neuankömmlingen.

Pauli stellte die Landeserstaufnahmestelle in Meßstetten vor und lobte das ehrenamtliche Engagement zahlreicher Zollernälbler. "Das christliche Grundverständnis verpflichtet uns, zu helfen", sagte er. Gleichzeitig dürfe man die Ängste in den Köpfen der Bürger nicht ignorieren. "Deutschland kann nicht die ganze Welt retten", machte Pauli deutlich.

Harald Herrmann bezeichnete die fehlenden Sprachkenntnisse als größtes Problem und verwies auf die Kooperation mit der Arbeitsagentur und dem Landkreis in Sachen Sprachförderung. Fünf bis acht Jahre sieht er als realistische Zeitspanne, um aus Flüchtlingen qualifizierte Facharbeiter und Steuerzahler zu machen.

Christian O. Erbe bezeichnete die Situation als Herausforderung und Chance und verwies auf 20 000 Stellen, die derzeit im Kammerbezirk nicht besetzt werden können und weitere 800, für die Akademiker gesucht werden. Wichtigstes Ziel: die Ausbildungsfähigkeit der Neuankömmlinge herzustellen und ihnen ethisch-moralische Grundlagen zu vermitteln. Mit Aushilfsjobs sei es nicht getan: "Sie brauchen ein solides Einkommen."

Rainer Autenrieth, der in seinem Hotel einen Asylbewerber, eine Georgierin und einen Südafrikaner ausbildet, berichtete von positiven Erfahrungen. Hans-Joachim Stark erklärte, wie Highschool-Absolventen und junge Menschen, die eine Schule gesehen haben, in Vorbereitungsklassen zunächst die Sprache lernen und dann für eine Ausbildung fit gemacht werden. Claudia Sander forderte für die 50 Prozent, "die nicht in diese Schiene passen", die entweder zu alt sind für eine Ausbildung sind oder die keine Ausbildung wollen, weil sie in ein, zwei Jahren in ihre Heimat zurückgehen wollen, die Möglichkeit, eine Aushilfstätigkeit zu machen: Zusätzlich zur Sprache würden sie bei der Arbeit auch die Regeln lernen, die in Deutschland gelten: "Sein Sie kreativ", forderte sie die Vertreter von Industrie, Handel und Handwerk auf. "Gehen Sie Ihren eigenen Weg, warten Sie nicht, bis Ihnen die Behörden etwas präsentieren."

Passend zum großen Thema des Abends der Song von Michael Jackson "Heal The World, Make It A Better Place", den das Ensemble "The Voices" zum Abschluss vortrug, ehe es Gelegenheit gab, im Foyer bei ein paar Häppchen ins Gespräch zu kommen.