Selina und Joana aus Engstlatt weben im Alamannenlager bunte Bändchen zum Schmuck der Kleidung (großes Bild). Moritz aus Gruol übt sich im Speerwurf (kleines Bild, links). Das Zelt hat der Schwäbische Albverein Engstlatt am Wanderparkplatz Körnen aufgebaut (kleines Bild, rechts). Fotos: Fiedler Foto: Schwarzwälder-Bote

Regen schreckt "Alamannensippe" nicht / Freizeit bei Engstlatt führt Teilnehmer zurück in die Vergangenheit

Von Julius Fiedler

Balingen-Engstlatt. Es hatte zgeregnet und alles war nass. Damit aber mussten die Alamannen schon vor 1500 Jahren fertig werden – und an ihnen orientierten sich die Teilnehmer einer Freizeit auf dem Wanderparkplatz Körnen in Engstlatt.

Das schlechte Wetter hielt sie nicht von dem Versuch ab, so zu leben, wie es die Alamannen vor weit mehr als einem Jahrtausend taten. Ihr Lager hatte die ungefähr 35 Personen zählende "Sippe", Erwachsene und Kinder aus der ganzen Umgebung, am Freitagnachmittag aufgeschlagen.

Nach einer Kennenlernrunde wurde mit traditionellen Methoden das Lagerfeuer entfacht und Stockbrot gebacken. Fleisch war nämlich bei den Alamannen nicht das Hauptnahrungsmittel. "Sie aßen eher vegetarisch“, erklärt Sven Ewerling, Initiator des Alamannenlagers.

Beim Lagerfeuer, das neben dem Kochen unter anderem auch zum Härten der im Lager gefertigten Speere genutzt wurde, befand sich ein offenes, historisches Zelt, der Wohnraum der Sippe. "Das große Zelt ist den Behausungen der Alamannen nachempfunden", weiß Ewerling, "es gehört zu dem Drittel des Hauses, das zum Wohnen, nicht als wirtschaftliche Nutzfläche oder Stall benutzt wurde."

Ein Teil der Gruppe bereitete am Samstagnachmittag unter dieser Überdachung das Essen – Hühnersuppe aus zuvor selbstgerupften Hühnern – und webte Bänder für die Ärmel der traditionellen Bekleidung. Andere warfen draußen Speere. Ewerling erklärt: "Die Speere sind originalgetreue Repliken von Waffen, die beispielsweise in Gräbern gefunden wurden".

Allerdings sollte nicht der Eindruck entstehen, dass die Alamannen klassische Jäger gewesen seien. Sie hielten und züchteten die Tiere vielmehr in ihrem Haus. Wenn es also Fleisch gab, "dann im Herbst, wenn Schlachtzeit war", gibt Ewerling aus seinem umfangreichen Wissen über die Alamannen preis.

Doch nicht nur ausgewiesene "Alamannenspezialisten" wie er gehören zu der Sippe. Auch viele Kinder waren bei der Freizeit und nutzten die Möglichkeit, einen anderen Lebensstil kennen zu lernen.

Beispielsweise Moritz aus Gruol, der über Verwandte auf die Alamannenfreizeit aufmerksam wurde und viel Zeit beim Speerwerfen verbrachte, sagt: "Mir gefällt es hier sehr gut."

Selina und Joana, zwei Mädchen aus Engstlatt die den Samstagnachmittag mit dem Weben von Bändchen für die Alamannenbekleidung verbrachten, wurden durch die Schule auf die Idee gebracht, an der Freizeit teilzunehmen: "Wir haben einen Zettel bekommen, und es hat sich interessant angehört", sagen sie.

Ob man aber immer so leben möchte und ob es auf Dauer nicht anstrengend werde? Sogar Sven Ewerling, ein leidenschaftlicher "Fan" der Alamannen, muss gestehen: "Ein Wochenende lang macht es auf jeden Fall großen Spaß, aber mein ganzes Leben lang würde ich nicht so verbringen wollen."

Der Verzicht auf die Segnungen der Zivilisation sei im Sommer auch noch ein wenig einfacher. Schon im Winter würde es sehr viel schwieriger sein.

Doch auch im Sommer spielt das Wetter nicht immer mit. Aber davon sollte man sich als Alamanne nicht stören lassen.