Ingrid Helber während ihres Vortrags beim Bürgerverein. Die Historikerin präsentierte neue Erkenntnisse zum "Armen Konrad" in Balingen. Foto: Bürgerverein Foto: Schwarzwälder-Bote

Bewegung "Armer Konrad" vor 500 Jahren / Ingrid Helber präsentiert beim Bürgerverein neue Forschungen

Balingen. Neue Forschungsergebnisse über den Aufstand des "Armen Konrad" im Jahr 1514 hat Ingrid Helber nun beim Bürgerverein Balingen vorgestellt. Die Vorgänge in Balingen waren bisher nur am Rande Thema.

Beim "Armen Konrad" handelte es sich um eine Bewegung, die durch ihren Namen nicht eine Person, sondern den gemeinen Mann oder jedermann zu jener Zeit vor 500 Jahren symbolisierte. Der Vorname Konrad war gewählt worden, weil er damals im Balinger Raum nach Johannes am zweithäufigsten vorkam.

Die Bewegung war Opposition zu der das Land beherrschenden Ehrbarkeit. Ungefähr 30 untereinander verwandte Familien übten in den Amtsstädten und im Landtag den größten Einfluss aus. Herzog Ulrich benötigte den Landtag zur Steuerbewilligung. Der Landtag war kein demokratisch gewähltes Organ, aus den Amtsstädten wurden jeweils zwei Vertreter abgeordnet. Die aufstrebenden Bauern in den Dörfern waren nicht beteiligt und deshalb unzufrieden.

1514 nun drohte in Württemberg der Staatsbankrott. Alle Bürger sollten helfen, die hohen Schulden zu tilgen. Die reiche Ehrbarkeit lehnte eine Vermögenssteuer ab und drängte auf eine indirekte Verbrauchssteuer auf Fleisch, Wein und Getreide. Das traf die einfache Bevölkerung stark. Nach der probeweisen Einführung der Steuer brach im Remstal um den 5. Mai 1514 ein Aufstand aus, der schnell ganz Württemberg und auch Balingen erfasste.

Die Aufständischen kamen aus allen Bevölkerungsschichten. Aus den Akten sind die Namen der Balinger Aufständischen ersichtlich. Teilweise kann ihr Tun und Reden nachvollzogen werden. Es wurde enger Kontakt zum Vorbild Leonberg gehalten. Herzog Ulrich nahm auf den Druck des "Armen Konrad" hin die Steuererhöhung zurück und schrieb nach langer Zeit wieder einen Landtag aus.

Die Unruhen gingen dennoch weiter. Balingen listete wie andere Gemeinden seine Beschwerden auf. In erster Linie ging es um die Entfernung des unbeliebten Vogts Hans Lienhardt von Reischach. Ebenso sollte der Schultheiß abgesetzt werden, was nur durch einen Gesandten des Herzogs verhindert werden konnte.

Die Aufständischen warfen mehrmals die Torwächter und Bewahrer der Stadtschlüssel ins Gefängnis und übernahmen die Herrschaft über die Stadt. Es wurden teilweise revolutionäre Forderungen erhoben.

Deutlich wurde auch der Konflikt zwischen den Amtsdörfern und der Stadt Balingen hinsichtlich des Privilegs für den Salzverkauf. Hier obsiegte nach den Erkenntnissen von Ingrid Helber wohl die Amtsstadt. Zwar nahm Balingen mit einiger zeitlicher Verzögerung den Schiedsspruch des Kaisers Maximilian, bekannt als Tübinger Vertrag, an. Jedoch widersetzten sich die Aufständischen nochmals, als 100 Mann aus dem Amt Balingen aufgeboten werden mussten zur Niederwerfung des noch andauernden Aufstands bei Urach und im Remstal.

Anfang August 1514 wurden in Schorndorf Anführer des "Armen Konrad" hingerichtet. Viele flohen in die Schweiz, möglicherweise auch mehrere aus Balingen. Rund die Hälfte der namentlich bekannten Balinger Aufständischen finden sich später in den Musterungslisten wieder und in anderen Akten, lebten also weiterhin dort.

Die Ehrbarkeit der Städte hatte ihren Einfluss auf Jahrhunderte hinaus gesichert. Doch profitierten schließlich auch die einfachen Leute vom Tübinger Vertrag durch das Recht auf freie Wahl des Wohnsitzes oder das auf einen ordentlichen Strafprozess.