Weniger Spendenbereitschaft von Seiten der Supermärkte, aber immer mehr Menschen an der Armutsgrenze

Von Gert Ungureanu

Balingen. Die Zahl der Personen, die in Balingen unter der Pfändungsgrenze leben, nimmt zu; die Spendenbereitschaft der Supermärkte lässt hingegen nach: Der Balinger Tafelladen stößt allmählich an seine Grenzen. "Irgendwie passt das nicht mehr zusammen", sagen Nathalie Hahn und Peter Blechmann vom Förderverein.

Zu den Einheimischen sind jetzt noch rund 100 Flüchtinge aus Balingen und weitere aus dem Raum Rosenfeld gekommen. Ihr Einkaufsverhalten sei etwas anders, sie würden viel Gemüse kaufen und hätten Probleme mit Schweinefleisch. Das sei auch ein Problem für den Tafelladen, sagt Gisela Schittenhelm, die dort seit vielen Jahren ehrenamtlich hilft. Denn viele Wurst- und Fleischprodukte gebe es eben nur mit Schweinefleisch. "Manchmal", sagt Hölzel, "haben wir genug Ware, dass es bis zum Schluss langt. Aber es kommt nach Brückentagen vor, dass kaum was da ist, weil die Lebensmittel schon bei den Discountern im Müll landen." Bei Rewe und Edeka – den "großen Sponsoren" – sei die Spendenbereitschaft ungebrochen. Bei anderen wie Lidl, Netto oder Penny sei es generell weniger geworden. Bei Real habe es früher immer zwischen fünf und acht Bananenkisten voll mit Milchprodukten gegeben. Jetzt gebe es nichts mehr, dafür habe man der Tafel eine Sammelaktion angeboten.

"Die Discounter wollen eben so wenig Überhänge wie möglich haben", vermutet der Marktleiter. So sei es oft schwierig, den Kunden eine ausgewogene Ernährung zu ermöglichen. Ein weiteres Problem: Tiefgekühlte Ware könne nicht aufbewahrt werden, man müsse sie "zum sofortigen Verzehr" verkaufen. Denn eine Kühlmöglichkeit gebe es nicht.

Der Tafelladen sei aber weit mehr als eine Einkaufsmöglichkeit für Bedürftige, sagt Pfarrerin Kristina Reichle. Es sei ein Ort der Begegnung, für manche auch ein Ort für einen ersten Kontakt zum neuen Umfeld und zu einer völlig neuen Sprache: "Mohammed hat seine ersten Deutschkenntnisse in der Tafel erlangt." Vom ersten Tag an habe er im Laden ehrenamtlich mitgeholfen. Und nebenbei gebe er auch Schwimmkurse für Kinder. Er habe daheim, in Damaskus, als Schwimmmeister gearbeitet. Schön wäre ein Begegnungs-Café, meint die Pfarrerin. Noch schöner wäre ein zusätzlicher Raum, in dem man auch gebrauchte Möbel anbieten könne, fügt Peter Blechmann hinzu. Nachfrage sei da, aber kein Platz.

Unterstützung von Seiten der Stadt? Fehlanzeige. "Und dabei sind es nicht unsere Armen, es sind die Armen der Stadt Balingen", sagt die Pfarrerin. Dass die Miete für Haus und Hinterhof und die Müllabfuhr von der Tafel bezahlt werden müssen, hält sie für ungerecht: "7,50 Euro pro Quadratmeter – so viel zahlt man auch in Tübingen nicht. ›Du sollst an deinem Bruder nicht wuchern‹, steht in meiner Bibel." Was die Müllabfuhr angeht – allein im vergangenen Jahr mussten die Tafeln in Albstadt, Balingen und Hechingen 10 000 Euro bezahlen – sei man im Gespräch mit dem Landratsamt: "Es hieß, wir müssten einen Antrag stellen, um von den Müllgebühren befreit zu werden."

Schön wäre es, meinen die Tafel-Betreiber. Denn in vielen Fällen müsse Müll entsorgt werden, den die Supermärkte nicht selbst entsorgen wollten und daher der Tafel spendeten, "und nasses Obst und Gemüse ist verdammt schwer".

Derzeit werden 688 Personen vom der Balinger Tafel versorgt, 436 Erwachsene und 252 Kinder. 304 gültige Ausweise sind im Umlauf. Ausgegeben werden sie von Caritas und Diakonie. Um einen Ausweis zu bekommen, muss Bedürftigkeit nachgewiesen werden. Als bedürftig gilt, wer als Einzelperson weniger als 1050 Euro zum Leben hat. Bei zwei Personen ist die Grenze bei 1440, bei drei Personen bei 1660 und bei vier Personen bei 1880 Euro.

Jeden Dienstag und Freitag zwischen 14 und 17 Uhr kann eingekauft werden. Damit der Andrang nicht zu groß wird, sind die Ausweise in sechs verschiedenen Farben ausgegeben: Mit jeder Farbe darf jeweils eine halbe Stunde lang eingekauft werden – im Wechsel, damit keiner zu kurz kommt, und es wird nach Anzahl der Personen im Haushalt zugeteilt.

Träger der Balinger Taferl sind die evangelische und die katholische Kirche sowie der Förderverein. Einziger Angestellter ist Marktleiter Thomas Hölzel. Alle anderen sind Ehrenamtliche – und es werden viele gebraucht: In vier Teams sind sie im Einsatz: zehn bis 15 in der Frühschicht beim Sortieren, weitere zwölf im Verkauf, sechs im Fahrerteam. Nicht zu vergessen die Reinigungskräfte.