Schwerer Unfall am 28. August 2014 auf der B 27, Ausfahrt Steinhofen. Die Bilanz: vier Schwerverletzte, 100 000 Euro Schaden, Bundesstraße voll gesperrt. Weil sich unter anderem diese Ausfahrt zu einem Unfallschwerpunkt entwickelt hat, gilt auf der B27 nun das einheitliche Tempolimit. Foto: Maier

Landratsamt und Polizei erklären, was für Entscheidung auf Bundesstraße ausschlaggebend war.

Balingen - Das durchgängige Tempolimit auf der B 27 von Balingen bis Bodelshausen sorgt für Diskussionen, Autofahrer fühlen sich gegängelt. Dem widerspricht Landrat Günther-Martin Pauli: "Es gibt leider Situationen, in denen eine Behörde handeln muss, auch wenn es unpopulär ist."

Zusammen mit Verkehrsamtsleiter Adrian Schiefer, Dezernatsleiter Christoph Heneka und dem für den Zollernalbkreis zuständigen Referenten der Verkehrspolizei im Polizeipräsidium Tuttlingen, Armin Temp, will Pauli Missverständnisse ausräumen und die unpopuläre Geschichte transparent und nachvollziehbar machen.

Das Tempolimit sei keine politische Entscheidung, gehe also auch nicht auf einen Beschluss in einem Gremium zurück, sagt er. Was zu der Entscheidung geführt habe, seien allein die "harten Fakten". Hintergrund sei, dass die Verkehrsbehörden der Städte Balingen und Hechingen und das Verkehrsamt im Landratsamt in Zusammenarbeit mit der Polizei für das 15 bis 16 Kilometer lange Teilstück der Bundesstraße eine Lösung "aus einem Guss" gesucht hätten. Die sei danach mit dem Regierungspräsidium abgestimmt worden. Übrigens sei es die Stadt Hechingen gewesen, die eine Ausweitung des Tempolimits gewünscht habe. Und der Gemeinderat der Stadt Balingen habe schon lange ein Tempolimit auf Höhe Engstlatt befürwortet.

Streckenweise gebe es keinen Standstreifen, und bei Steinhofen sei ein Unfallschwerpunkt. Das Resultat: durchgängig Tempo 120. Er bedauere das auch selbst ein Stück weit, räumte der Landrat ein, "weil ich hin und wieder arg in Zeitnöten bin". Nebenbei: Bei durchgehend Tempo 180 auf dem Teilstück wäre man nur zwei Minuten früher am Ziel als bei durchgehend 120. Das könne jeder selbst nachrechnen.

Den Vorwurf, man wolle die Autofahrer, die zu schnell unterwegs seien, abkassieren, will er nicht stehen lassen. Mit den Messungen gehe man "verantwortungsvoll" um. Unter dem Strich rechne es sich gar nicht. "Sollten wir so messen, dass wir damit Geld machen, hätten wir noch ganz andere Schlagzeilen."

Der Verkehrslärm, den nicht nur die Engstlatter, sondern auch die Patienten im Zollernalb-Klinikum zu spüren bekommen, sei zwar "ein weiterer Aspekt, aber nicht entscheidend für das Tempolimit". Und ja, Widersprüche seien eingegangen, die auch "ein Stück weit nachvollziehbar" seien. Die werde man bei den Verkehrsbehörden in Balingen, Hechingen und im Landratsamt nach und nach abarbeiten.

Die Unfallhäufung auf Höhe Steinhofen sei ein "offenkundiges Problem", bestätigt auch Armin Temp und verweist auf die Zahlen in der Unfallbilanz: 17 von 33 schweren Unfällen im vergangenen Jahr waren geschwindigkeitsbedingt.

Hätte man die Geschwindigkeit nur abschnittsweise begrenzt, hätte es einen "Flickenteppich" gegeben, der für die Autofahrer verwirrend gewesen wäre, ergänzt Dezernatsleiter Christoph Heneka. "Das längste Teilstück ohne Begrenzung wäre etwa zwei Kilometer lang, die anderen Abschnitte zwischen 500 Meter und einem Kilometer." Da hieße es dann pausenlos, Gas geben und gleich wieder abbremsen. Auch der fehlende Standstreifen, etwa in der Wessinger Senke bis zur Hechinger Aral-Tankstelle, sei ein Argument für eine Geschwindigkeitsbegrenzung: "Bei einem Unfall muss die komplette Bundesstraße gesperrt werden, weil es keinen Korridor für die Einsatzfahrzeuge gibt."

Das Problem: In Deutschland gibt es immer noch Strecken, auf denen gefahren werden kann, was das Auto hergibt. "Wären wir in Frankreich, wo auf den achtspurigen Autobahnen durchweg Tempo 130 gilt, würden wir heute nicht hier sitzen", fasst es ein Zuhörer zusammen.