Otto Gunsbergers Tochter und Enkel am TG Balingen / Appell: Sich der Suche nach Sündenböcken entgegenstellen

Balingen. Eine australische Familie trägt das historische Erbe weiter. Jetzt waren die Vosks in Balingen.

Fast 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs gibt es kaum noch Überlebende des Holocaust. Vergangenes Jahr starb in Melbourne Otto Gunsberger, der im Frühjahr 1945 im Konzentrationslager Bisingen Zwangsarbeit beim Schieferabbau verrichten musste. 2009 war er zum letzten Mal im Zollernalbkreis gewesen und hatte damals auch das Technische Gymnasium in Balingen besucht.

Nun möchten seine Tochter Claire Vosk und zwei seiner Enkel, Adrian und Andrew, seine "Mission" fortführen und das Gespräch mit deutschen Schülern suchen. Vor zwei 12er-Klassen des Balinger TGs berichtete Claire Vosk über den Leidensweg ihres Vaters in der letzten Kriegsphase, aber auch vom Neubeginn in Australien und den eigenen Erfahrungen als Tochter zweier Holocaust-Überlebender.

"Kann man in so einer Familie überhaupt eine normale Kindheit haben?", fragte sie selbst und gab eine bemerkenswerte Antwort: Gerade die Tatsache, dass Otto Gunsberger Schlimmes mitgemacht und viele Verluste erlitten hatte, habe ihn zu einem besonders liebevollen Vater gemacht.

Wenn zuhause über den Holocaust gesprochen wurde, dann sei das immer ohne Hass geschehen, ohne die Deutschen als Volk zu verurteilen. Im Gegenteil: Gunsberger habe immer die Menschen besonders herausgestellt, die damals geholfen hatten.

Geschichte, so schrieb Gunsberger wenige Tage vor seinem Tod als Widmung in ein Buch, könne auf zwei Arten vermittelt werden: Die eine schüre Hass, die andere vermittle Toleranz. Er selbst habe sich immer der zweiten Variante verpflichtet gefühlt.

Dass dies auf die Enkel abgefärbt hat, zeigte der 20-jährige Adrian: Er bat die TG-Schüler, die Opfer des Holocaust nicht zu vergessen. Gerade in Zeiten, in denen Ressentiments aufflackerten, sei wichtig, Frieden und Toleranz zu praktizieren und sich der Suche nach Sündenböcken entgegenzustellen.