Foto: Stumpp Foto: Schwarzwälder-Bote

Bisher größtes Projekt der Unternehmensgeschichte: Balinger Firma Stumpp ist am Bau des Daimler-Testzentrums in Immendingen beteiligt

Balingen/Immendingen. Es gibt Baustellen, die bieten selbst erfahrenen Bauunternehmern noch etwas Neues. "Spektakulär" nennt Arne Stumpp, Chef der gleichnamigen Balinger Straßen- und Tiefbaufirma, den Anblick der Maschine, die er in Immendingen, wo das Prüf- und Technologiezentrum (PTZ) von Daimler entsteht, zum ersten Mal gesehen hat: einen Brückenfertiger für überhöhte Kurven. Das Ungetüm bringt in den beiden hunderte Meter langen und steilen Kurven des Ovalrundkurses, auf dem künftig Automobile ihre Runden drehen, den Asphalt auf. Nur zwei Exemplare dieser Maschine gibt es weltweit.

Nicht nur die Maschine, die gesamte Baustelle ist imposant. Auf dem früheren Standortübungsplatz der Bundeswehr und der Oberfeldwebel-Schreiber-Kaserne entwickelt und testet Daimler künftig die neuesten Automobiltechnologien, dies auf einer Fläche von 520 Hektar. Das entspricht fast der doppelten Gemarkungsfläche Streichens oder 728 Fußballfeldern. Rund 200 Millionen Euro investiert das Unternehmen. Immendingen werde, so Daimler, bei der Entwicklung der Mobilität der Zukunft eine Schlüsselrolle übernehmen.

Eine tragende Rolle auf dem Weg dahin hat die Firma Stumpp inne. Die Balinger bilden gemeinsam mit der Firma Morof (Landkreis Calw) eine Arbeitsgemeinschaft. Die beiden Mittelständler haben den Zuschlag für ein großes Baulos bekommen. Im Tief- und Straßenbau ist Stumpp erfahren, in Balingen buddeln die Mitarbeiter beispielswiese derzeit am Hinteren Kirchplatz und leisten demnächst die Erschließungsarbeiten für das neue große innerstädtische Baugebiet Urtelen.

Der Auftrag in Immendingen aber stellt alles bisher Dagewesene in den Schatten. Genaue Zahlen darf Arne Stumpp nicht nennen, so viel aber schon: Es handele sich um das bisher größte Projekt in der Firmengeschichte.

Unterwegs auf dem Areal: Patrick Stumpp, Sohn des Stumpp-Geschäftsführers und einer von mehreren Bauleitern vor Ort, sitzt am Steuer eines Geländewagens. Über eine Schotterpiste geht’s ins ruppige Gelände, vorbei an metertiefen Spurrinnen der Großgeräte. Der Geländewagen ächzt, die Insassen, kräftig durchgeschüttelt, ebenso.

"Schauen Sie, rechts drüben", sagt Patrick Stumpp, und deutet auf einen Hang: Dort entsteht der sogenannte Albdauerlauf Tiefental, für den eine Serpentinenstrecke angelegt wurde. Das Gelände haben die Stumpp-Miatrbeiter dafür teilweise abgetragen und dann neu modelliert. Antriebe werden dort künftig unter extremen Bedingungen getestet.

Am gegenüberliegenden Hang ist das sogenannte 4x4-Modul fast fertig. Eine Piste, nur grob geschottert, hat eine Steigung von mehr als 20 Prozent. Zu Fuß hätte man Probleme, hinaufzukommen. Dort müssen Geländewagen dereinst ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen.

Quasi nebenan hat die Firma Stumpp die Grundlagen für den Ovalrundkurs gelegt. Enorme Erdbau- und Schüttarbeiten waren dafür notwendig. Insgesamt bewegen die Mitarbeiter von Stumpp und Morof auf dem Immendinger Baustellenareal rund 1,6 Millionen Kubikmeter Erde. Und sie bringen etwa 700 000 Tonnen Schüttgüter aus.

In Spitzenzeiten 120 Mitarbeiter und 50 Maschinen im Einsatz

Dazu kommen Lehrrohre für Kabeltrassen sowie Kanäle. Ein Teil der Kanalelemente, die nun im Erdreich sind, ist mit einem Innendurchmesser von 2,80 Metern größer als alles, was die Balinger Firma jemals verlegt hat – und Stumpp hat schon viele Kanäle verbuddelt. 2,75 Meter lang waren die mächtigsten Kanalbauteile, jedes einzelne 20 Tonnen schwer – das ergibt eine einfache Rechnung: ein Rohrstück, ein Lastwagen.

Auf die Bagger, fertig, los? Ganz so einfach ist es nicht. Die Bauarbeiten sind detailliert vorbereitet, gestützt auf GPS-Technik: Zum Einsatz kommt ein Hochleistungsscanner, der das Areal fotografisch detailliert erfasst. Dadurch entstehen digitale 3D-Geländemodelle, die die fertige Oberfläche vorgeben. Die Ausführungsplanung wird digital auf die Maschinen übertragen – so wird ein millimetergenaues Arbeiten möglich.

Besondere Bedeutung hat das für die Anlegung der Bertha-Fläche, benannt nach Bertha Benz, einer Pionierin des Automobils. Hochautomatiserte Funktionen – Stichwort: autonomes Fahren und Kollisionsvermeidungssysteme – werden darauf künftig entwickelt und gestetet. "Bertha" ist 100 000 Quadratmeter groß, Auslaufflächen und Schutzplanken inklusive, komplett hergestellt von Stumpp/Morof. Dazu kommt ein Leitstand, von dem aus die Fahrzeuge kontrolliert werden können. Bei der Anlegung der Bertha-Fläche sind sehr hohe Ebenheitsanforderungen einzuhalten, die weit über die Anforderungen im normalen Straßenbau hinausgehen.

Ganz andere Anforderungen wiederum gelten für den sogenannten Dauerlaufkurs, der einmal rund ums Testgelände verläuft und an dessen Bau die Balinger Firma Stumpp ebenfalls beteiligt ist. Eine einfache Straße? Mehr als das: Auf einer Passage beispielsweise müssen die Balinger Schlaglöcher, Rillen, einen Sprunghügel sowie eine 1-G-Senke anlegen – Elemente also, die im normalen Straßenbau ganz und gar unüblich, für Autotestzwecke aber unabdingbar sind.

Der Auftrag sei insgesamt eine "logistische Herausforderung", sagt Arne Stumpp, dies auch deshalb, weil dafür eine umfangreiche Logistik und viel Personal geplant und abgestellt werden musste. Im August 2016 haben die Arbeiten begonnen, in Spitzenzeiten haben Stumpp und Morof einschließlich Subunternehmen bis zu 120 Mitarbeiter pro Tag in Immendingen im Einsatz. Dazu kommt ein Fuhrpark mit bis zu 50 Maschinen – Bagger Raupen, Walzen, Kräne und anderes Gerät mehr. Einige davon – etwa 50-Tonnen-Bagger – mussten wegen der Dimension der Aufgabe eigens angemietet oder geleast werden.

Der Auftrag sei auch eine "einmalige Chance" gewesen, sagt Arne Stumpp, um das Renommee seiner Balinge Firma zu steigern. Die Arbeiten seien bisher planmäßig und sauber verlaufen. "Bei Daimler", sagt Stumpp mit schwäbischer Zurückhaltung, "sind sie, glaube ich, recht zufrieden mit uns."