Foto: Bartler-Team

Andrang bei 22. Auflage des Balinger Rockfestivals so groß wie noch nie. Band Sacrety verabschiedet sich.

Balingen - So groß ist er wohl noch nie gewesen, der Andrang vor der kleinen Akustik-Bühne. Fast alle der 1700 Besucher des 22. Balinger Rockfestivals (BRF) standen dicht an dicht im hinteren Bereich der Balinger Messehalle.

Die Oberndorfer Band Sacrety gab das letzte BRF-Interview ihrer Musikkarriere. Seit Gründung der Band vor rund zehn Jahren waren die fünf Jungs ein fester, nicht wegzudenkender Bestandteil des christlichen Festivals in Balingen. "Als wir neulich zusammen unterwegs waren, haben wir mal versucht, uns an all die Festivals und Geschichten zu erinnern, die wir gemeinsam erlebt haben", erzählen die Musiker: "Es war echt schwer." Eine tolle Zeit sei es gewesen, gemeinsam als Band: "Doch irgendwann muss Schluss sein."

Alle stehen mittlerweile mitten im Berufsleben und sehen nach vielen Konzerten und einer Deutschlandtour die Zeit gekommen, sich von der Bühne zu verabschieden. In Balingen aber nicht ohne einen letzten imposanten Auftritt und viele Erinnerungsfotos mit den treuen Fans.

Auch die Fans sind über die Jahre mit der Band und dem Rockfestival gewachsen. Das Festival ist ruhiger geworden. Es gibt weniger Punk, mehr melodiösen Rock. Sebastian Groß, der sich seit 16 Jahren im Organisationsteam des BRF engagiert, stellt fest: "Die Musikrichtungen sind nicht mehr ganz so vielfältig. Die Bands orientieren sich alle zur Mitte hin." Generell hat er den Eindruck, "dass sich die Landschaft der christlichen Rockmusik in den vergangenen Jahren gewandelt hat. Es gibt heute weniger kleine Bands als noch vor ein paar Jahren." Das erklärt er sich vor allem aus einem gestiegenen Anspruch: "Früher hatte fast jeder Jugendkreis eine Band", erinnert er sich. Heute würden sich viele wohl abschrecken lassen, beispielsweise durch YouTube-Videos mit perfektem Gesang. Um so mehr freut sich Sebastian Groß, dass es auch für die 22. Ausgabe des Festivals gelungen ist, viele tolle große und kleine Bands aus dem In- und Ausland zu engagieren.

Größen der christlichen Musikszene und frische Bühnenacts aus der ganzen Welt reichen sich in der Balinger Messehalle die Hand und feiern gemeinsam den Glauben auf einem Festival, das mittlerweile zu den größten und bekanntesten seiner Art in Süddeutschland gehört. Das Line-Up kann sich sehen und hören lassen: Der Headliner Remedy Drive und Children 18:3 sind aus den USA angereist. Auch die Outbreakband, Normal ist anders, DJ Freeg und Lichtfabrik kommen beim Publikum an.

Lange schon hat sich das Festival einen Namen weit über die Region hinaus gemacht. Die Zeiten, in denen die Erzinger Turnhalle als Location ausgereicht hat, sind vorbei. Vor 22 Jahren hatten sich dort erstmals ein paar junge Musiker zu einem heimeligen Konzert der Evangelischen Jugendarbeit Erzingen-Schömberg getroffen. Die Veranstaltung bekam von Jahr zu Jahr mehr Zulauf, und die Organisatoren Karin und Wilfried Rauscher mussten sich bald nach einem neuen Veranstaltungsort umschauen. Seit einigen Jahren feiern die Christ-Rocker nun in der Balinger "volksbankmesse". Aus dem kleinen Zelt- und Turnhallen-Konzert ist ein Festival mit musikalischem Verständigungscharakter geworden.

Trotz des größeren Festivals geht der familiäre Charakter der Veranstaltung jedoch nicht verloren. Grund dafür: Viele der Musiker, Moderatoren und ehrenamtlichen Mitarbeiter des BRF kennen sich schon seit vielen Jahren. Und wichtig: Neben mitreißenden Rhythmen und ausgelassener Partystimmung steht laut den Festivalmachern vor allem einer im Mittelpunkt des Rockfestivals: Jesus: "Seine Lebensmotivation liefert die Zündenergie für die Bands, Veranstalter und das Publikum" – damals, als das BRF in der kleinen Turnhalle seinen Anfang nahm, und heute vor 1700 Besuchern in der Messehalle.

Zur christlichen Ausrichtung des Festivals passt auch, dass Karin und Wilfried Rauscher 150 Flüchtlinge eingeladen haben, mitzufeiern. Die christliche Botschaft steht über der Veranstaltung. Sie dient aber keinem Missionszweck. Wenn etwa David Zach, Sänger bei Remedy Drive, davon erzählt, dass er vor zwei Jahren begonnen habe, Songs über Sklaverei zu schreiben, um den Unterdrückten und Misshandelten auf der Welt eine Stimme zu geben, betrifft das hier alle – ob gläubig oder nicht. Wenn er erzählt, wie er mit versteckter Kamera in Rotlichtmilleus in Asien unterwegs war, um gegen Zwangsprostitution vorzugehen, beeindruckt das viele.

Und die Botschaft, sich füreinander stark zu machen, kommt an: "Wir haben unsere Mikrofone und Kameralinsen, wir können diesen Menschen eine Stimme geben und gemeinsam etwas bewegen", sagt er. "Auch wenn ich nur ein Junge aus Nebraska bin."