Der Einweihungszug für die Bevölkerung am 14. Juli 1928 in Schönmünzach. Foto: Kurverwaltung Schönmünzach Foto: Schwarzwälder Bote

Jubiläum: Der 13. Juli 1928: "Große Hochzeit" zwischen Baden und Württemberg auf der Murgtalbahn

Von Rudolf Meintel

Freitag, der 13. Juli 1928, war kein Unglücks-, sondern ein Freudentag für die Menschen im Murgtal, denn an diesem Freitag wurde der durchgehende Zugverkehr im Murgtal eröffnet. Alle Stationen waren in den Reichs- und Landesfarben beflaggt, die Häuser prangten im Festschmuck.

Baiersbronn/Freudenstadt. Aus dem Bericht des Murgtalboten vom 14. Juli wird die allgemeine Freude, die an diesem heißen Sommertag die Bevölkerung des Murgtals beherrschte, deutlich. Die beiden Eröffnungszüge mit den gut 300 geladenen Gästen aus Karlsruhe und Stuttgart trafen sich in Klosterreichenbach.

Dort äußerte Schultheiß Klumpp den Wunsch, "dass die Fremdenindustrie unter der neuen Bahn in ihrer hauptsächlich dem Güterverkehr dienenden Bestimmung nicht notleiden möge". Außer Klumpp sprachen auch der württembergische Bahn-Präsident Sigel und Justizminister Josef Beyerle. Die Amtskörperschaft Freudenstadt reichte im Hotel Sonne-Post einen erlesenen Imbiss. Dann bestiegen die Gäste wieder den Zug, der den traditionellen Festschmuck, grünes Tannenreisig, trug, zur Weiterfahrt talabwärts.

"Ein unvergessliches Ereignis wird diese Fahrt allen Teilnehmern ihr Leben lang sein und bleiben. Dass das schlichte Landvolk versteht, Feste eindrucksvoll zu feiern, ist hinreichend bekannt. Aber dass diese Murgtal-Schwarzwaldbauern und -arbeiter mit solcher Begeisterung den Tag begehen würden, hätte wohl niemand gedacht..." heißt es im Zeitungsbericht von damals. Im badischen Kirschbaumwasen begrüßten Justizminister Gustav Trunk und Reichsbahnpräsident Peter Paul Freiherr von Eltz-Rübenach aus Karlsruhe neben Bürgermeister Otto Fritz aus Forbach die württembergischen Gäste. Besonders erwähnenswert ist die Rede von Pfarrer Kammerer aus Forbach, der den Eröffnungsakt als "große Hochzeit" apostrophierte, eine Hochzeit zwischen Baden und Württemberg. Der Ehe seien zwei Sprösslinge zu wünschen: Rentabilität und Elektrizität (damaliger Begriff für Elektrifizierung).

61 Jahre waren seit dem ersten Spatenstich in Rastatt vergangen, bis die beiden Streckenteile vereinigt waren. Kleinstaaterei gepaart mit Wirtschaftsinteressen, der Erste Weltkrieg, Wirtschaftskrisen und Geldentwertung hatten die Weiterführung mehrfach blockiert.

Wichtig für den durchgehenden Verkehr waren Probefahrten mit Schwerzugslokomotiven zwischen Freudenstadt und Friedrichstal im Oktober 1923 mit der modernsten Zahnradlok, der württembergischen "Hz" und der preußischen "T 20", einer "normalen" Reibungslok. Die Ergebnisse erlaubten bei gleichbleibender Sicherheit den Verzicht auf die Zahnstange, und man durfte schneller fahren. Außerdem wurde der Kohleverbrauch halbiert und so die Streckenleistung vervierfacht. Allerdings mussten die Loks besondere Bremsen haben, und es galt, viele Sondervorschriften zu beachten.

Das hat das Betriebsverfahren sehr erleichtert. Diese Ergebnisse wurden dann auf ähnliche Strecken wie die Höllentalbahn oder Boppard-Simmern übertragen. Das Murgtal hatte die fünftsteilste Steilrampe in Westdeutschland. Gab es bis 1928 im Süden des Murgtals sechs reine Personen- und vier gemischte Züge, fuhren ab 1929 im Murgtal 18 Personenzüge. Somit war das Angebot fast verdoppelt worden.

Brauchte die Zahnrad-Rumpel, wie der Volksmund sagte, rund 40 Minuten von Klosterreichenbach bis zum Stadtbahnhof, waren es danach 32 Minuten (jeweils inklusive Aufenthalts- und Ladezeiten). Bis Karlsruhe dauerte die Fahrt im Personenzug knapp drei Stunden und im Eilzug zweieinhalb Stunden, wobei zu beachten ist, dass die Tenderloks nur geringe Vorräte hatten, und so wurde in Schönmünzach die Lok gewechselt. An Touristen kamen vorerst nur Erholungssuchende aus der Karlsruher und Stuttgarter Umgebung, wofür es Sonderrückfahrkarten gab. Am Wochenende wurden auch Eilzüge eingesetzt. Obwohl das Murgtal Anschluss an den neuen "Rheingold-Express", der von Holland in die Schweiz fuhr, gehabt hätte, brachte weiterhin der "Bäder-Express" die Kurgäste von Frankfurt via Karlsruhe-Pforzheim-Hochdorf nach Freudenstadt (bis 1939). Fern-Tourismus aus den Industriegebieten Norddeutschlands gab es erst in den 1950ern. Zunächst fuhren von Reisebüros gecharterte Züge, sogenannte Scharnowzüge, dann ab Ende der 50er-Jahre planmäßige Kurswagen von Hamburg und Dortmund. Daraus wurden ab Sommer 1979 zwei eigenständige Schnellzüge Freudenstadt-Dortmund und Hamburg mit acht beziehungsweise sechs Wagen. Mit der Änderung des Kurwesens fehlten dann die Reisenden und auch die Umwandlung in den Interregio "Murgtal" endete 1999.

n 1. Juni 1869: Eröffnung Rastatt-Gernsbach.

n 1872: Idee einer privaten Bahn Gernsbach-Freudenstadt, die zur Kosteneinsparung als Schmalspurbahn geplant war, die mit engeren Kurven und weniger Tunnels ausgekommen wäre. Sie hätte die Stadt Freudenstadt in einem Tunnel zwischen Bärenschlössle und Hauptbahnhof unterquert.

n 1. Mai 1894: Eröffnung Gernsbach-Weisenbach.

n 21. November 1901: Eröffnung Freudenstadt-Klosterreichenbach als Zahnradbahn zwischen Wittlensweiler Straße und Friedrichstal. Die Bahn bekam die Zahnstange, weil man befürchtete, dass die Räder bei einer Neigung von 50 Prozent bei der Berg- wie auch bei der Talfahrt durchdrehen beziehungsweise rutschen könnten. Mit Zahnrad durfte die Lok nur 20 Stundenkilometer schnell fahren, sonst 40 Stundenkilometer.

n 15. Juni 1910: Eröffnungsfahrt Weisenbach-Forbach-Gausbach. n 5. Mai 1915: Forbach-Gausbach-Raumünzach.

n 13. Juli 1928: durchgehender Zugverkehr im Murgtal.

Rudolf Meintel, viele Jahre Bezirksleiter Betrieb bei der DB Netz AG, hat zum Jubiläum "90 Jahre Lückenschluss" mit seinem Fachwissen die Geschichte der Murgtalbahn bis zum Lückenschluss zusammengefasst. Dafür hat er neben seinen eigenen Unterlagen auch die Bücher "Die Entstehung der Murgtalbahn, Teil 2" von Heinz Sturm und das zweibändige Werk "Die Eisenbahn im Nordschwarzwald" von Hans-Wolfgang Scharff und Burkhard Wollny verwendet.