Lebenstraum: Fritz Gaiser aus Baiersbronn hat schon zum zweiten Mal vier Monate in den Bergen gearbeitet

Ein Leben als Almer, das hört sich nach Romantik an. Romantisch ist es, aber vor allem eines: harte und ehrliche Arbeit. Fritz Gaiser ist inzwischen schon zum zweiten Mal für ein paar Monate in die Rolle des Almers geschlüpft.

Baiersbronn . Vom gestressten Banker zum geerdeten Almer: Fritz Gaiser aus Baiersbronn hat sich diesen Traum erfüllt. Viele Jahre hat er die Zweigstelle der Volksbank im Baiersbronner Oberdorf geleitet. Jetzt hat er den Schlips abgelegt und schon zum zweiten Mal mehrere Monate als Senner auf der Rinneralm in Südtirol gearbeitet.

Wie er dazu gekommen ist? Seit Jahrzehnten kommt Fritz Gaiser mit seiner Familie regelmäßig ins Ratschingstal in Südtirol, zuerst zum Skifahren, später auch zum Wandern. So hat er dort viele Menschen kennengelernt. Dabei ist ihm eines besonders aufgefallen – die geerdete bodenständige Lebenweise der Almer. "Ich hab’ mir immer gedacht, wenn ich meine berufliche Laufbahn beende, dann will ich mal ein paar Wochen auf der Alm verbringen."

Gelegenheit beim Schopfe gepackt

Als sich dann im vergangenen Jahr über eine gute Bekannte zum ersten Mal die Chance bot, eine Saison lang ein Almer zu sein, packte Fritz Gaiser – inzwischen in der passiven Phase der Altersteilzeit – die Gelegenheit beim Schopf. Denn so leicht sei es nicht, eine Stelle auf einer Alm zu finden. "Für mich war das wie ein Sechser im Lotto", sagt Gaiser. Inzwischen hat er den zweiten Sommer auf der Rinneralm hinter sich, jedes Mal knapp vier Monate, und ist überzeugt: "Das hat schon gewisses Suchtpotenzial."

Die Rinneralm liegt auf 2000 Metern Höhe im Ratschingstal bei Sterzing in der Nähe des Jaufenpasses. Sie gehört dem italienischen Staat, ist an einen Hotelier verpachtet, der das Personal für die Alm anstellt. Für Fritz Gaiser ist die Arbeit auf der Alm weit mehr als ein Saisonjob. Auf den Bergen, da komme er runter, da habe er sein Leben abarbeiten können, da könne man mit allem seinen Frieden finden, das sei besser als jede Therapie, erzählt er. "Wenn man morgens um 5 Uhr die Kühe von der Almwiese zum Melken holt und den Sonnenaufgang über den Ötztaler Alpen sieht – das vergisst man nie", schwärmt Gaiser. "Es ist eine Entschleunigung des Lebens, es macht bodenständig, es erdet." Da hatte also der alte Senner Recht behalten. Denn der hatte Gaiser zum Leben auf der Alm schon zuvor gesagt: "Du kommst nicht so runter, wie Du hochgehst."

"Ich bin gelassener, ruhiger, lebe mehr im Hier und Jetzt, ich lebe glücklicher", stellt Gaiser fest. Er habe einfach etwas vom Glück dort oben mit runternehmen können. Und irgendwie gehört es auch zum Almerglück, im Herbst nach mehr als 100 Tagen am Stück die Alm wieder verlassen zu können – weil die harte Arbeit so anstrengend ist, dass die Pfunde purzeln, weil sie auslaugt, aber auch, weil daheim in Baiersbronn die Familie und die Freunde warten.

Apropos Familie – die ganze Familie ist mit dem Alm-Fieber infiziert. Tochter Annalena war 2014 die erste, die einen Sommer auf einer Alm verbrachte, nun studiert sie. Tochter Melina, die nächstes Jahr ihr Abitur macht, hat mittlerweile schon zwei Mal auf der Rinneralm an der Seite ihres Vaters gearbeitet – in den Sommerferien. Und seine Frau Inge, die kommt immer wieder zu Besuch.

Ob er nächstes Jahr wieder zum Almer wird, weiß Gaiser noch nicht. Doch mit der Entscheidung kann er sich Zeit lassen. "Das wird erst Anfang Februar ausgemacht." 16 Stunden hat der Arbeitstag auf der Alm. 80 Stück Jungvieh müssen betreut, rund ein Dutzend Milchkühe zweimal täglich von der Weide geholt und gemolken werden. Dazu kommen 14 Schweine, vier Pferde, sechs Schafe, 14 Hühner, drei Esel und zehn Hasen, listet Gaiser auf. "Die muss man alle versorgen." Damit nicht genug: Die Milch will zu Butter und Käse verarbeitet werden, und die Gastronomie muss laufen. Rund 100 Essen gehen da am Tag über die Theke. Und regelmäßig gibt es Feste auf der Alm.

Viel Arbeit, aber kein Stress

Die Belegschaft, die das alles schafft: Fritz Gaiser, die Sennerin, ein Koch und eine Servicekraft sowie der frühere Almer und sein Sohn, die stundenweise zum Helfen kommen. Fritz Gaiser ist hauptsächlich für die Tiere, für Butter und Käse zuständig, hilft aber auch mal in der Küche oder im Service. Trotz der vielen Aufgaben hat er auf der Alm nie Stress empfunden. Denn es bleibe Zeit zum Nachdenken. Es gebe viel zu tun, aber keinen Zeitdruck. "Ich hab’ noch nie einen Almer rennen sehen. Sie gehen langsam, aber den ganzen Tag", sagt Gaiser.

Ist das Tagwerk vollbracht, sind die Menschen auf der Alm rechtschaffen müde. "Da geht man freiwillig um 22 Uhr ins Bett, denn zwischen 4 und 4.30 Uhr ist die Nacht ja schließlich wieder rum", lacht Gaiser. Das Schlafgemach für den Almer, das Gaiser auf einem Foto zeigt, ist eher spartanisch: Matratze, Tisch und Stuhl. Doch das steht auch dafür, was die Alm lehrt: Es ist wenig, was der Mensch wirklich braucht.