Diskutierten im Morlokhof (von links): Roman Glaser (BWGV), Frank Krause (Moderator), Konditormeister Eberhard Holz, Tourismusdirektor Patrick Schreib, Martin Keppler (IHK Nordschwarzwald), Berufsschulleiter Peter Stumpp, Gastgeber Hannes Bareiss, Harald Rissel (EDEKA Südwest), Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Landrat Klaus Michael Rückert, Hans Striebel (Bühler BürgerEnergiegenossenschaft), Bürgermeister Michael Ruf und Juliane Vees (Landfrauenverband Württemberg-Hohenzollern). Foto: Baiersbronn Touristik

Ministerpräsident gibt sich bei Besuch in Baiersbronn zum Thema Studienzentrum im Nordschwarzwald aber zurückhaltend.

Baiersbronn-Mitteltal - Wie kann der ländliche Raum in Baden-Württemberg gegenüber Ballungsräumen dauerhaft gestärkt werden? Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) diskutierte am Mittwochabend mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Tourismus, Energie, Schulen und Genossenschaften.

"Was Sie hier auf die Beine stellen, ist vorbildlich", war der Regierungschef nach dem fast dreistündigen Gespräch im historischen Morlokhof in Mitteltal voll des Lobes für die Initiative "Dunkle Wälder – Bunte Perspektiven", mit der sich die Murgtalgemeinde seit zwei Jahren den Stärken und Schwächen auf dem Land widmet und nach Wegen sucht, was für die Zukunft getan werden muss. "Ich nehme viele Anregungen mit, die wir nun prüfen werden", betonte Kretschmann laut Pressemitteilung der Baiersbronn Touristik zu diesem nichtöffentlichen Treffen mit Experten.

Der Ministerpräsident bekannte sich klar zur Provinz: "Mir gefällt’s hier", pflege er auf die oft gestellte Frage zu antworten, warum er nicht öfter in Berlin sei oder politisch gar ganz auf die große Bühne wechsle. Das Leben im ländlichen Raum sei auch "eine Frage der persönlichen Haltung, das Bekenntnis zur kulturellen Werten und Hintergründen". Aber ohne Zweifel gebe es "viel zu tun".

Die demografische Entwicklung, Landflucht, schrumpfende Schulklassen, der Facharbeitermangel, der Ausbau der Infrastruktur, das alles seien "wichtige Herausforderungen" für den ländlichen Raum, so der Ministerpräsident, der die bisherigen Diskussionsabende der Initiative "Dunkle Wälder – Bunte Perspektiven" als "wichtigen Beitrag" zur aktuellen Debatte im Land bezeichnete: "Das sind sehr wertvolle, produktive und innovative Runden", so Kretschmann.

Der thematische Bogen beim Besuch in Mitteltal war breit gefächert. Er reichte vom vom ehemaligen Bühler OB Hans Striebel angeregten weiteren Ausbau von Bürger-Energiegenossenschaften, was Kretschmann unterstützt, bis zum Fach Wirtschaft in den Schulen und einem verstärkten Austausch von Schülern, Lehrern und der freien Wirtschaft durch vermehrte Praktika. "Wir müssen das praktische Tun im Unterricht stärker fördern", warb Juliane Vees, Präsidentin des Landfrauenverbands Württemberg-Hohenzollern.

"Einen guten Vorschlag", den er prüfen wolle, nannte Kretschmann den von Peter Stumpp, Leiter der Freudenstädter Heinrich-Schickhardt-Schule, der die Idee in den Raum stellte, zur Sicherung von Berufsschulklassen und damit einzelnen Berufsbildern wie Metzger oder Bäcker- und Konditormeister auf dem Land und zudem kreisübergreifend einzelne Schulen mit fachlichen Schwerpunkten zu schaffen, die auch von Schülern aus den Ballungsräumen besucht werden.

"Aus ihrer Perspektive nachvollziehbar" nannte der Ministerpräsident das Vorhaben von Schulen und Firmen der Region Nordschwarzwald, ein Studienzentrum auf Masterebene zu gründen, um qualifizierte Fachkräfte für den ländlichen Raum zu gewinnen. Dennoch zeigte er sich dieser Idee gegenüber zurückhaltend angesichts der angespannten Haushaltslage und der vielfältigen Hochschullandschaft im Land. Die Raumschaft bekräftigte dennoch ihre Idee. "Das wäre ein großer Leuchtturm", unterstützte der Freudenstädter Landrat Klaus-Michael Rückert (CDU) das Vorhaben ebenso wie Martin Keppler, IHK-Hauptgeschäftsführer aus Pforzheim, der auf den hoch entwickelten Maschinenbau in der Region verwies und einem solchen Studienangebot im ländlichen Raum eine "große Anziehungskraft" für angehende Fachkräfte und ihre Familien prophezeite.

Keppler: Infrastruktur soll besser werden

Rückert wie Keppler betonten, es gebe die "große Bereitschaft" aus der Wirtschaft, ein solches Projekt finanziell zu tragen, etwa durch Stiftungsprofessuren, um das Land finanziell nicht zu belasten. Es sei nun die Frage, wo und in welchen Örtlichkeiten man ein solches Studium ansiedeln könne. Die Befürworter waren sich einig, an der Raumfrage dürfe so etwas nicht scheitern, eine Möglichkeit wären leer stehende frühere Polizeigebäude oder nicht mehr genutzte Kasernen.

Mit Blick auf den Stellenwert von renommierten Unternehmen wie Fischer, Homag, Schmalz und anderen Vorzeigefirmen im Schwarzwald appellierte Keppler zugleich an den Gast aus Stuttgart, in Sachen Ausbau der Infrastruktur nochmals alle Möglichkeiten zu der Verbesserung zu prüfen. Es müsse "das Ziel bleiben, bei der Breitbandversorgung so viel als möglich zu tun und im Straßenverkehr die zentralen Achsen der Region auszubauen", so Keppler. Kretsch-mann mochte da nicht widersprechen ("Da haben wir keinen Dissens"), die finanziellen Mittel gerade im Straßenbau seien aber begrenzt. Man dürfe den Blick aber nicht davor verschließen, dass sich der Großraum Stuttgart "zur Stauregion der Republik" entwickelt habe. Da gelte es, weiter zu investieren und nach intelligenten Verkehrskonzepten zu suchen.

Als "interessanten Ansatz" für die Regional- und Kommunalpolitik bezeichnete der Regierungschef die Anregung von Roman Glaser, Chef des Genossenschaftsverbands Baden-Württemberg, die derzeitige Kapitalmarkt-Situation zur Gründung von Bürgergenossenschaften zu nutzen – etwa für den Erhalt von Arztpraxen, die Einrichtung weiterer Kindertagesstätten, die Breitbandversorgung, das Thema Pflege oder den Ausbau der E-Mobilität. Glaser wie Harald Rissel, Chef der Edeka-Gruppe Südwest, schlugen zudem vor, runde Tische mit Vertretern der Landwirtschaft, der Genossenschaften, des Tourismus, aber auch des Landkreistags und der Kommunen zu gründen, um nach einer Strategie für die Versorgung der Bürger mit regionalen Produkten zu suchen, wirtschaftlich rentable Dorfläden zu erhalten und damit die Nahversorgung der Menschen dauerhaft zu sichern. Kretschmann äußerte Sympathie für die Idee und versprach: "An diesem Tisch wird die Landesregierung gerne mit Rat und Tat vertreten sein."