Finkbeiner-Anwalt Frank Hahn (rechts) bei seiner Stellungnahme im Gerichtsgebäude. Foto: Rath

Dienstältester Drei-Sterne-Koch der Republik und Traube Tonbach gehen fortan getrennte Wege.

Pforzheim/Baiersbronn - Die vielleicht größte und längste Erfolgsgeschichte der deutschen Spitzengastronomie ist am Dienstag zu Ende gegangen – kurz und glanzlos. Harald Wohlfahrt (61), dienstältester Drei-Sterne-Koch der Republik, und die Traube Tonbach in Baiersbronn (Kreis Freudenstadt), eine der angesehensten Adressen in der Hotelbranche, trennen sich.

Sitzungssaal drei im Arbeitsgericht Pforzheim ist kühl und sehr zweckmäßig eingerichtet. Dass das Zimmer bei einer Verhandlung des Arbeitsgerichts genagelt voll ist, kommt nicht alle Tage vor. Schätzungsweise 50 Zuhörer drängen sich in den enggen Stuhlreihen, zwei Drittel davon dürften Journalisten sein. Als die dreiköpfige Kammer um Hans Weischedel, Direktor des Arbeitsgerichts, den Saal betritt, prasselt ein Blitzlichtgewitter über sie herein. Denn es fehlt an den eigentlichen Motiven: Drei der vier Plätze zu linken und rechten Seite der Kammer bleiben leer. Weder Wohlfahrt und seine Anwältin Leonie Frank sind erschienen, noch Heiner Finkbeiner, Patron der "Traube". Er lässt seinen Anwalt Frank Hahn sprechen.

Das Publikum schaut irritiert. Was es nicht weiß: Der Fall ist schon gelaufen. Wohlfahrt und Finkbeiner haben die Sache doch noch intern geregelt, am Morgen des mit Spannung erwarteten Verhandlungstags.

Für Arbeitsrichter "ein guter Tag"

Arbeitsrichter Weischedel nimmt es gelassen. Trotz der Prominenz der handelnden Akteure sei das für ihn ein "08/15-Fall". Die gütliche Lösung sei stets das Ziel des Arbeitsgerichts und zu jedem Verfahrensstand möglich. Es sei schließlich der beste Weg, "Frieden reinzubringen". Insofern sei es aus seiner Sicht "ein guter Tag". Wer den Schlagabtausch auf offener Bühne erwartet habe, werde enttäuscht. "Aber es ist nicht Aufgabe des Arbeitsgerichts, die Öffenltichkeit zu unterhalten", so Weischedel.

Im Saal bricht Gelächter aus. Die Kammer habe im Übrigen das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Ende der Durchsage. Nach sieben Minuten ist die Verhandlung geschlossen. Die Kameras und Augen richten sich jetzt auf Anwalt Frank, der eine kurze vorformulierte Stellungnahme abgibt. "Zuallererst sind meine Mandanten sehr froh darüber, dass ihre fortwährende Gesprächsbereitschaft in den vergangenen Wochen letztlich erwidert und eine sinnvolle Lösung gefunden wurde", so Frank. "Auch wenn wir auf eine Richtungstellung der Vorwürfe im Zuge des Verfahrens gebaut haben, war die öffentliche Auseinandersetzung nicht der Wille der Familie Finkbeiner", trägt der Anwalt vor.

Über die Details der Lösung, die bislang nur handschriftlich festgehalten sei, hätten beide Seiten im Übrigen Stillschweigen vereinbart. Dann, in freier Rede der Fragerunde, fällt der entscheidende Satz: "Herr Wohlfahrt ist nicht mehr tätig für die Traube Tonbach."

Was ist zwischen Wohlfahrt und Finkbeiner vorgefallen?

So ist, laut Wanduhr im Gerichtssaal, um 15.40 Uhr die Ära Wohlfahrt/Traube Tonbach Geschichte. Nach 40 Jahren, in denen Wohlfahrt die "Schwarzwaldstube" der Traube Tonbach zur Pilgerstätte der Feinschmecker gemacht, drei Michelin-Sterne geholt und über all die Jahre verteidigt hat, und zum Nimbus von Baiersbronn als "Tal der Sterne" maßgeblich beigetragen hat. Eine Reihe junger Köche, die Wohlfahrt ausgebildet hat, sind selbst hochdekoriert.

Warum musste es so enden? Nach wie vor wird im Ort und in der Feinschmecker-Szene gerätselt, was zwischen Wohlfahrt und Finkbeiner vorgefallen ist. Die beiden galten praktisch als unzertrennliches Tandem. Im Mai hatte die Familie Finkbeiner mitgeteilt, dass Wohlfahrt das Zepter in der "Schwarzwaldstube" abgebe, an seinen selbst ausgewählten Nachfolger Torsten Michel (39), seit mehr als zehn Jahren Sous-Chef. Wohlfahrt sollte dem Haus verbunden bleiben, als "kulinarischer Direktor". Alles sah nach einem reibungslosen Übergang aus.

Dann, wenige Wochen später, platzte Wohlfahrts Klage beim Arbeitsgericht auf Weiterbeschäftigung als Küchenchef in die Sommerfreude. Er habe einen rechtsgültigen Arbeitsvertrag, so Anwältin Frank, die "Schwarzwaldstube" sei Wohlfahrts "Lebenswerk". Zwischenzeitlich hatte Wohlfahrt sogar Hausverbot in der "Schwarzwaldstube". Wie es inoffiziell heißt, soll es zuvor geknallt haben zwischen Wohlfahrt und Michel.

Von Wohlfahrts Seite war keine Stellungnahme zu erhalten. Die Inhaber schlugen versöhnliche Töne an, ließen zwischen den Zeilen ihrer schriftliche Stellungnahme aber gleichzeitig durchsickern, dass das Tischtuch zerschnitten ist: "Wir persönlich, aber auch viele unserer Mitarbeiter der Traube Tonbach bedauern zutiefst die Entwicklung. Unser Wunsch war immer eine gemeinsame Zukunft mit Harald Wohlfahrt, so wie wir es zusammen viele Jahre geplant und vorbereitet hatten. Darauf haben wir bis zum Schluss gehofft." Das Haus werde "das große kulinarische Erbe von Harald Wohlfahrt immer hochhalten", es werde in der Küchenleistung seines Nachfolgers Torsten Michel "eine würdige Fortsetzung" finden.

Das klingt nach Schlussstrich. "Mit Blick auf die Zukunft bin ich sehr froh, dass sich alles zum Guten gewendet hat", so Hotelier Heiner Finkbeiner. Das war’s. Eine Abschiedsgala wird es wohl nicht geben. Vor dem zweckmäßigen Gerichtsbau in der Pforzheimer Simmlerstraße, mit Blick auf die Enz, diskutieren die letzten Prozessbeobachter das Ende des Verfahrens. Weiterer Rufschaden sei immerhin vermieden worden, heißt es, für beide Seiten. Es gießt in Strömen an diesem tristen Sommertag im Norschwarzwald.