Junge Pianistin bietet virtuoses Repertoire: Cynthia Maya Bal gastiert im Hotel Traube

Von Claus Wiegert

Baiersbronn-Tonbach. Eine Überfliegerin der Klassik-Szene war bei der Festspielzeit in der "Traube Tonbach" angekündigt, und sie wurde den Erwartungen der Zuhörer rundum gerecht: Die Pianistin Cynthia Maya Bal gastierte mit einem virtuosen Repertoire der Klassik und Romantik in der gut besuchten Hotelhalle. Gerade mal 15 Jahre alt ist die Interpretin, aber schon vielfach ausgezeichnet.

Cynthia Maya Bal trat international bereits auf vielen Bühnen auf, auch schon an der Seite des chinesischen Star-Pianisten Lang Lang, aber bisher noch nie in einem Hotel, wie Iris Mahler von der "Traube Tonbach" erfreut mitteilte. Zustande kam das Gastspiel der Stuttgarterin in der "Traube" dank Siegfried Gemeinhardt, dem früheren Leiter der ehemaligen städtischen Musikschule Freudenstadt. Er moderierte den Abend gemeinsam mit Iris Mahler.

Keine Experimente, aber auch keine Scheu vor großen Namen und Werken versprach das Programm. Gleich zu Beginn bot die zierliche junge Frau denn auch ein klassisches Schwergewicht: Ludwig van Beethovens berühmte Grande Sonate Pathétique. Schwer, aber nicht schleppend gerät die Einleitung, bevor das berühmte erste Thema stürmisch aufwärts drängt. Die Interpretin trägt bei der mächtigen Steigerung nicht dick auf und achtet auch bei dem melodischen, hartnäckig wiederholten Seitenthema auf Transparenz. Nicht jeder Ton sitzt in den teils abrupt voneinander abgesetzten Klanggebilden, aber die große Linie stimmt. Und die ist zwischen aufrüttelnder Gewalt, Leidenschaft und gefühlvoller Melodik weit geschwungen. An Klarheit ist Cynthia Maya Bals Spiel kaum zu überbieten, vom Pedal macht sie nur sparsam Gebrauch. Prägnant gelingt ihr auch der fast schon liebliche Mittelsatz und glanzvoll das Rondo Allegro.

Noch wohler als bei dem schroffen Werk Beethovens scheint sich die junge Pianistin bei Meisterwerken der Romantik zu fühlen. Bei Frederic Chopins Scherzo op. 39 Nr. 3 cis-Moll schaltet sie nicht nur den spieltechnischen Turbo ein, sondern gewinnt der rasanten Folge gebrochener Akkorde auch noch eine ausdrucksvolle Tiefendimension ab – durchaus erstaunlich für ihr Alter. Der fulminante, strahlende Schluss wirkt geradezu elektrisierend. Weit ruhiger, aber nicht weniger effektvoll dann Franz Schuberts Sonate op. posth. 143 a-Moll: Mit großer dynamischer Bandbreite tönt Cynthia Maya Bal dieses balladenartige Werk ab, energisch und rhythmisch markant im Allegro, lyrisch im Andante und überaus sanglich im Allegro vivace.

Nach diesem Ausflug in seelisch düstere Gefilde endete das Programm mit einem echten Virtuosenstück, der Tarantella aus "Venezia e Napoli" von Franz Liszt. Prächtige Akkordik wogte raumgreifend durch die Hotelhalle, schwierigste Läufe meisterte die Pianistin scheinbar mühelos – sie entließ ihr Publikum in einen wahren Klangrausch.

Ein Prélude von Claude Debussys, subtil phrasiert, gab’s als Zugabe nach dem anregenden Wechselbad der Gefühle.