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Wenn der Vater nach einem Unfall im Rollstuhl sitzt

"Kannst du mir mal helfen?!" Diesen  Satz hört man öfter am Tag. Viele Menschen denken, dass das Leben mit Behinderten schwierig oder sogar anstrengend ist. Ganz im Gegenteil. Natürlich lebt man mit Behinderung anders, aber auch irgendwie schöner.

Man genießt die kleinen Momente im Leben intensiver. Da es jetzt wieder wärmer wird, genießen wir auf unserem  Balkon jeden Abend die untergehende Sonne.

Ich kann mich noch gut an die Krankenhaus-Zeit  erinnern, als ich meinen Papa zum ersten Mal nach der Intensivstation sah. Ich war einfach glücklich, ihn lebend zu sehen, denn der Unfall hätte ganz anders ausgehen können.  Als mein Papa noch im E-Rollstuhl saß, hatte er ständig mit dem Kreislauf zu kämpfen. Wir trainierten mit Gummibärchen als Gewichte. Und wenn er nicht schnell genug war, hab ich ihm ein Gummibärchen gemopst.  

Als er zum ersten Mal in einem normalen Rollstuhl saß, hat es ziemlich lange gedauert bis wir endlich das richtige Sitzkissen gefunden hatten, die richtige Größe und zum Schluss dann noch die Farbe.  Ein paar Wochen später, als wir den Rollstuhl hatten, mussten wir dann noch mal alles einstellen. Dabei ging es um den Winkel der Lehne und die Frage, ob es noch ein anderes Kissen braucht.

Als mein Papa seinen Rollstuhl hatte, konnte er endlich seine Arme trainieren und sich selber  aus eigener Kraft  fortbewegen. Ein Riesenerfolg! In diesem Jahr haben meine Mutter, mein Bruder und ich meinen Papa jedes Wochenende besucht, von Freitagmittag bis Sonntagnachmittag. Diese Wochenenden waren für mich wie Kurzurlaub. Einfach mal mit der Familie zusammen sein, keine Termine zu haben, die die Familie wieder für einen kurzen Zeitraum auseinander reißt. In dieser Zeit habe ich gelernt, wie wichtig für mich Familie, Freunde und Klassenkameraden sind, die mich immer und überall unterstützt haben.

Am Anfang war es für mich schwer, mit der neuen Situation umzugehen. Vor dem Unfall waren wir eine unternehmungslustige Familie, die jede freie Minute in der Natur verbrachte. Heute bleibt im Sommer nur eine Fahrradtour oder sich auf unsere Terrasse zu setzen.

Wenn wir Urlaub planen, müssen wir einiges beachten: Ist die Jugendherberge Rollstuhlgerecht? Wie lange können wir bleiben? Trotz den vielen Einschränkungen können wir auf einem rollstuhlgerechtem Campingplatz zelten und so der Natur näher sein als vor dem Unfall.

Mittlerweile habe ich mich an die Situation gewöhnt, in der Öffentlichkeit von Menschen blöd angeschaut zu werden. Am Anfang habe ich nicht kapiert, warum so viele Menschen, Freunde und Bekannte Abstand halten von meinem Papa. Er ist ja immer noch ein und derselbe. Nur halt sitzend. In dieser Zeit haben wir erkannt, was wahre Freundschaft heißt und wer zu uns hält. Ich war überrascht, dass selbst fremde Menschen, die den Unfall durch die Zeitung mitbekommen haben, uns finanziell unterstützt haben.

Wenn ich heute nach Hause komme, bin ich gespannt, was er mir über das berichtet, was er am Vormittag "angestellt" hat. "Stell dir vor, ich bin heute zusammen mit Mama mit dem Handbike (Anm.: ein Fahrrad, das man vor den Rollstuhl schnallt)  nach Schopfloch gefahren und habe dort einen Kaffee getrunken!" Und schon wieder ein (kleiner) Fortschritt!   Die Autorin ist Schülerin der Klasse 8a der Realschule Dornstetten