Wie ein kleines Dorf ist der Osterhof, der auf einem Hang in Heselbach liegt. Foto: Michel

Therapiezentrum Osterhof in Heselbach feiert sein 50-jähriges Bestehen. Mit einem Haus hat alles begonnen.

Baiersbronn-Klosterreichenbach - Der Osterhof wird 50 Jahre alt. Was einst mit einem Gebäude begonnen hat, ist heute wie ein kleines Dorf – ein Dorf, das Kindern eine neue Zukunft gibt, das für Hoffnung steht.

Zum Therapiezentrum Osterhof gehören ein psychotherapeutisches Kinderheim, eine Heimschule, ein heilpädagogischer Kindergarten und die Eltern-Psychotherapie. Auf 50 000 Quadratmetern erstreckt sich das Gelände mit elf Gebäuden auf einem Hang in Heselbach, das zu Klosterreichenbach gehört. Dazu kommt einige hundert Meter entfernt die Schule mit zwei Gebäuden. Die Kinder besuchen zum Teil auch die Schulen am Ort.

Mit einem Haus hat alles vor rund 50 Jahren begonnen. Ulrich Schmid, der Gründer des Osterhofs, hatte erst Maurer gelernt, dann Sozialpädagogik studiert, eine Ausbildung zum Kinderpsychotherapeuten absolviert und leitete später ein Heim in Mannheim. Doch es reichte ihm nicht, Kinder einfach nur versorgt zu wissen. Der Eindruck, dass die emotionale Bindung im Heim zu kurz kommt, mündete in der Gründung des Osterhofs mit einem eigenen Konzept. Im Osterhof leben die Kinder ähnlich wie in SOS-Kinderdörfern mit den Therapeuten und Pädagogen zusammen in Wohngemeinschaften. Das Ziel ist allerdings ein anderes: Die Kinder sollen später wieder zurück in ihre eigenen Familien. Insgesamt gibt es sechs Gruppen mit im Schnitt acht Kindern im Osterhof. Jede Gruppe lebt in Wohngemeinschaft mit drei Osterhof-Mitarbeitern.

Ulrich Schmid und seine Frau Traudel, Erzieherin und Heilpädagogin, arbeiten auch heute noch für ihr Lebenswerk – allerdings in der Außenstelle des Osterhofs, ein Dreigenerationenhaus in Igelsberg. Dort leben sieben Kinder und Jugendliche im Alter von drei bis 18 Jahren, die aufgrund ihrer Geschichte so stark traumatisiert sind, dass sie sich nicht mehr auf das Wagnis Familie einlassen.

Der Osterhof wird seit 1996 von Martin Schmid, einer der Söhne des Gründerehepaars, geleitet. Seine Frau Bettina arbeitet als Kunsttherapeutin auf dem Osterhof.

Martin Schmid ist Vater von vier erwachsenen Kindern, Psychologe, psychologischer Psychotherapeut und Psychoanalytiker. Für die Kinder will er – wie seine Kollegen auch – in erster Linie eins sein: Mensch und Bezugsperson. "Wir erscheinen hier nicht als Fachleute, sondern als ganz normale Menschen, auf dieser Grundlage machen wir Beziehungsangebote", sagt er. Aufgabe der Mitarbeiter sei es, die Kinder emotional zu verstehen, zu verstehen, was in ihnen vorgeht und warum ein Kind dieses oder jenes Symptom entwickelt hat.

Wenn Martin Schmid von den Kindern und der Arbeit erzählt, dann tut er das bedacht und vorsichtig, auch und gerade weil manche der kleinen Patienten schon Fürchterliches erlebt haben. Die Kinder kommen mit massiven Auffälligkeiten – eines spricht nicht mehr, das andere ist aggressiv gegen sich selbst, wieder ein anderes hat extreme Leistungsstörungen entwickelt. Manche haben so schlimme Erfahrungen gemacht, dass sie nicht mehr denken können. "Das ist ein Abwehrmechanismus, der behutsam wieder zurückgefahren werden muss", so Schmid. Viele Kinder bekamen vor ihrem Aufenthalt in Heselbach Medikamente. "Die setzen wir alle ab, um das Kind ungedämpft zu sehen." Denn es gehe darum, andere Wege zu finden.

Bei den Kindern, die im Osterhof aufgenommen werden, sei psychisch und emotional etwas ins Stocken geraten. Das, was die Eltern in der Lage waren, ihnen mitzugeben, habe nicht ausgereicht. "Wir machen sehr intensive Beziehungsangebote, sodass die Kinder neue Beziehungserfahrungen sammeln können", sagt Schmid. Beziehung und Bindung sind ein großes Thema im Osterhof. Denn bei 70 Prozent der kleinen Patienten sind Bindungsstörungen ein wesentlicher Teil der Diagnose. Dahinter stecke immer eine Geschichte, stellt Schmid fest. Die Kinder seien nicht ausreichend in ihren inneren Anliegen verstanden worden, hätten nicht ausreichend stabile Bindungen erfahren.

Die leiblichen Eltern werden bei ihren Besuchen intensiv mit in die Arbeit eingebunden. Denn das Ziel ist immer, die Familie wieder zusammenzubringen. Auf der einen Seite dichte Beziehungen zu den Kindern zu schaffen und gleichzeitig das "Du hast Deine Eltern" zu vermitteln, sei eine Gratwanderung, sagt Schmid.

90 Prozent der Kinder gehen nach ihrer Zeit im Osterhof wieder in ihre Familien zurück, andere in Pflegefamilien oder in betreute Wohngruppen. Viele Mitarbeiter gehören schon lange zum Team, der Schnitt liegt bei knapp elf Jahren. Die Mitarbeiter, ist Schmid überzeugt, seien so lange dabei, weil es ein befriedigendes Arbeiten sei. Man sehe, dass in relativ kurzer Zeit große Entwicklungsschritte gemacht werden können. Und Schmid selbst? Die Arbeit mit vielen, vielen Familie habe ihn eher optimistischer gemacht. Es sei befriedigend, Kindern und Familien zu helfen, zu erfahren, dass es Lösungen gibt, dass etwas bewegt werden kann – auch in ganz schwierigen Fällen.

Info: Osterhof

Der Osterhof bietet Platz für 45 Kinder und beschäftigt 50 Mitarbeiter – Sozialpädagogen, Heilpädagogen, Erzieher, Psychologen, Psychotherapeuten mit verschiedener Ausrichtung, zum Beispiel Kunst-, Reit- oder Spieltherapie, Lehrer sowie weitere Mitarbeiter im technischen und hauswirtschaftlichen Bereich.

Im Osterhof werden Kinder mit neurotischen Störungen im Alter von drei bis zwölf Jahren aufgenommen, die auf stationäre psychotherapeutische Hilfe angewiesen sind. Auch die Eltern der Kinder werden intensiv in den therapeutischen Prozess mit einbezogen und wohnen bei den regelmäßigen Besuchen und Gesprächen in eigenen Appartements. Die Reintegration in die Herkunftsfamilien gelingt in der Regel nach einem Aufenthalt von ein bis zwei Jahren.

Zunächst als private Einrichtung gegründet, ist seit 1972 der gemeinnützige Verein Therapiezentrum Osterhof der Träger der Einrichtung. Kostenträger sind entweder die öffentlichen Jugendhilfeträger oder die Krankenkassen.