Künstler und Werk: Mit ruhiger Betrachtungsform verleiht Günther Hermann seinen Arbeiten eine Intensität, die weit über das Original der Realität hinaus zu gehen scheint. Foto: Eberhardt Foto: Schwarzwälder-Bote

Günther Hermann stellt in der Baiersbronner Galerie U aus / Natur in allen Facetten steht im Mittelpunkt

Von Tina Eberhardt

Baierbronn. Mehrdimensionalität hat Einzug gehalten in der Galerie U. Nicht etwa, weil dort derzeit Skulpturen zu sehen sind, sondern Malereien und Farbradierungen von einer Dynamik und Intensität, welche die Grenzen von Bilderrahmen zu sprengen scheinen.

Galerist Ulrich Finkbeiner hatte dieses Mal etwas Mühe, seine Gäste zur obligatorischen Einführung in einem Raum zu sammeln. Gebannt in der farbopulenten Welt, die sich derzeit in den Räumen der Galerie U in der Wilhelm-Münster-Straße eröffnet, waren die Gäste damit beschäftigt, den filigranen, teils fast schon hypnotisierend faszinierend wirkenden Bildern durch die Galerie zu folgen. Dort zeigt Günther Hermann derzeit seine Ausstellung "Aquatinta – Radierungen und Malerei". Zu sehen sind Landschaften aus aller Welt, in allen Charakteren. Dargestellt in einer künstlerischen Intensität, welche die Illusion weckt, längst nicht mehr vor einem zweidimensionalen Bild zu stehen.

Bis zu seinem 19. Lebensjahr hatte Kunst für den zwischen Marburg und Gießen lebenden Mann keine Rolle gespielt, wie Hermann im persönlichen Gespräch verriet. Mit einem Bildband von Salvador Dali hatte die Faszination Kunst dann urplötzlich begonnen, den ersten Schritten in einem Volkshochschul-Kurs folgte nur wenige Jahre später die Aufnahme an der Städelschule in Frankfurt und schließlich nach dem Einstieg über die Malerei die Hinwendung zur aufwendigen und komplexen Technik der Radierung.

"Licht und Farbe bauen einen Gegenstand zusammen", erklärte Kunsthistoriker Friedhelm Häring, der traditionell die Einführung in die Ausstellung übernahm. Und diese beiden Komponenten werden in der mehrstufigen Technik der Radierung von Hermann neu aufgebaut. Angesichts der Ausdruckskraft der Bilder ließ es der launige und begeisterungsfähige Friedhelm Häring dieses Mal auch bei vergleichsweise schlichten aber immer wieder sehr treffenden Worten: "Kunst macht sichtbar und zeigt nicht das Sichtbare." Sichtbares spielt in den Bildern von Günther Hermann zugegeben eine wichtige Rolle. Die Natur in allen Facetten steht im Mittelpunkt der in Baiersbronn ausgestellten Werke. Hermann hatte viel Zeit auf Reisen verbracht. Von den Gärten Portugals bis zu den wilden skulpturalen Baumlandschaften bei Angkor Wat. "Er ist ein Maler, der über Jahrzehnte konsequent der Farbe und dem Licht gefolgt ist", resümierte Häring.

In seinen Werken hat Hermann das Sichtbare jedoch auf ganz eigene Weise gebannt. Beim Betrachten der Radierungen von Olivenhainen und Klatschmohn glaubte man, den warmen Wind des Südens zu spüren. Am Brunnen der Flussgötter, eine Acrylmalerei, entstand im Ohr plötzlich das Geräusch von Brunnengeplätscher, eine Radierung von Hermanns heimischem Seerosenteich schien die feuchte Kühle des Gartens auf der Haut spürbar zu machen.

Bis heute gibt der Künstler sein Wissen an der Volkshochschule weiter, da, wo er selbst einmal erste praktische Erfahrung gesammelt hatte. Und auch in Baiersbronn sollte es nicht bei Worten und der Betrachtung der Ergebnisse von künstlerischen Prozessen bleiben. An einem vorbereiteten Arbeitstisch ließ Hermann die Zuschauer an der Entstehung einer Radierung teilhaben und gab eine Einführung in die komplexe Technik. Mit Kupferplatte, einem feinen Pinselchen und einer massiven Walzmaschine bewaffnet, ging Hermann ans Werk, während die Besucher mit jedem Arbeitsschritt näher heranrückten und mit fasziniertem Gemurmel beobachteten, wie der Künstler aus drei verschiedenen Farbtuben ein ganzes Farbenuniversum schuf. Eigentlich, verriet Hermann, sei die Radierung ursprünglich vor allem zur Reproduktion gedacht gewesen. In der außergewöhnlichen Kombination mit Techniken der Malerei schafft dieser Künstler jedoch eine neue, einzigartige Welt – so detailreich und intensiv, dass sie die Realität weit zu übertreffen scheint.