Thomas Faißt versucht mit seinem Köhlerstab, den Meiler zu bändigen. Foto: Duval

Elemente sind entfesselt: Entzündung des Kohlemeilers in Baiersbronn ist Auftakt für mehrtägiges Spektakel.

Baiersbronn - Köhler Thomas Faißt hat am Wochenende den Kohlemeiler in Baiersbronn in Gang gesetzt. Das rauchig-feurige Spektakel zog Besucher in den Bann - und bildete den Auftakt für acht Tage "Kultur am Meiler".

Mit einer Schaufel glühender Kohle in der linken und einem Glas Schnaps in der rechten Hand steigt Köhler Thomas Faißt am Freitagabend auf die Leiter. Er steht auf einem riesigen Maulwurfshügel inmitten einer Waldlichtung. Akribisch hat er ihn wochenlang aufgebaut. Fünf Meter Durchmesser am Boden, eineinhalb oben am Schlund. Zweieinhalb Meter ragt der schwarze Kegel in die Höhe. Mit einem Zug leert er den Schnaps, dann wirft er die Kohlen in den Schlund.

Jetzt gibt es kein Zurück mehr

Sofort steigt Rauch auf, so als wolle der Meiler sagen: "Du hast mich geweckt, jetzt schau zu, wie du mit mir klar kommst!" Feuer, Holz, Luft und Kohle. Die Elemente sind entfesselt. Es gibt kein Zurück. Acht Tage und Nächte schwelt der Meiler - und bestimmt den Lebensrhythmus des Köhlers. Faißt, in der Hand den meterlangen Köhlerstab, grinst. Hinter ihm stößt der Meiler gemächlich weißen Rauch in den Himmel. Der Köhler erzählt seinen Besuchern wie das "Produkt seines Begehrens" entsteht. Wie die Destillationsprozesse durch die Hitze im luftdichten Meiler dem Holz alles entziehen, bis am Ende der Kohlenstoff zurückbleibt.

Er hat einen Konflikt entfacht. "Zwischen ihm und mir", sagt Faißt den Gästen, die auf das Gelände der alten Pflanzschule oberhalb von Baiersbronn (Kreis Freudenstadt) gekommen sind. "Das Feuer will Asche machen. Das muss ich verhindern." Damit am Ende der Köhler zu seiner Kohle kommt, muss er das Geschehen ständig beobachten - jederzeit bereit, wichtige Entscheidungen zu treffen.

Vor 15 Jahren spürte Faißt erstmals den Impuls, einen Kohlenmeiler zu bauen. Seitdem hat die Köhlerei den studierten Forstwirt nicht mehr losgelassen. So kommt er auch mit Überraschungen zurecht: Plötzlich lodern Flammen aus dem Kegel. Faißt steigt auf die Spitze des Kegels und legt weiteres Holz in die Flammen. Das Feuer flackert auf, und es sieht fast so aus, als tanze der Köhler auf einem Vulkan.

Ist der Meiler außer Kontrolle? Das Holz soll doch nicht verbrennen! Mit stoischer Ruhe packt Faißt eine Schaufel und bändigt die Flammen. Dann füllt er einen Eimer mit Lösche, einem Gemisch aus Kohlepartikeln, Asche und sandhaltiger Erde und kippt es zusammen mit Gras auf den Deckel. Es qualmt und raucht. Mit bloßen Händen dichtet Faißt den Meiler ab. Jetzt wuchtet er den Köhlerstab nach oben und sticht ein Loch mitten in die Decke des schwarzen Kegels. Doch statt wütender Flammen schwebt samtig-weißer Rauch wie Nebel in den Abendhimmel.

Rund um den Meiler wird erzählt, gesungen, gelacht und gegessen. Von Anfang an wollte Thomas Faißt um seinen Meiler Menschen zusammenbringen. Daraus entstand "Kultur am Meiler", ein Programm mit Musikaufführungen und Lesungen, das während des Meilerabbrandes bis zum 14. Juni stattfindet.

Die Musik der Gauklertruppe Schenkenzell ist verklungen, die letzten Besucher ziehen vom Platz. Es wird eine kurze Nacht für den Köhler. Die ersten Nächte sind immer die heikelsten. Beobachten und Pflegen ist angesagt. Und das alle zwei Stunden. Wird der Rauch grau-bläulich muss der Köhler rasch eingreifen. Denn dann brennt im Meiler die Kohle weg.

Um 2 Uhr nachts funkelt der Sternenhimmel über der Lichtung. Ausgerüstet mit Stirnlampe und Köhlerstab klettert Faißt auf den Meiler. Stets an seiner Seite seine Frau Nella, die ihn in dieser Zeit unterstützt. Alleine am Meiler wäre es zu gefährlich. Er öffnet den Deckel, füllt Hohlräume aus, schiebt die Glut umher. Zum Abschluss öffnet er eine Köhlerpfeife, damit der Meiler abdampfen kann. Alle zwei Stunden wiederholt sich der Prozess. Beobachten und Pflegen. "Eine Aufgabe, die sehr herausfordert", sagt der Köhler - und das noch sieben Tage lang.

Seite 2: Kultur am Meiler

Unter dem Motto "Wilde Tage am Meiler" ist täglich bis Samstag, 14. Juni, am Kohlemeiler Programm geboten. Tagsüber kann der Meiler besichtigt werden, abends gibt es Lesungen und Musik. Der Meiler befindet sich in Baiersbronn bei der Alten Pflanzschule.

Infos gibt es auf www.wald-kohle-kultur.de