Städtetag warnt vor Wettbewerb um Einwohner durch kommunale Einkommensteuer / Schäuble: stabilere Alternative zur Gewerbesteuer

Von Wiebke Bomas

Oberndorf. Einen Wettbewerb um Einwohner: Das fürchten die Gegner eines kommunalen Zuschlags auf die Einkommensteuer, wie ihn jüngst Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und mit ihm auch Länderkollege Willi Stächele (CDU) forderte. Heute berät das Bundeskabinett, aus welchen Quellen sich die kommunalen Finanzen künftig speisen sollen.

Der Gesprächsbedarf ist groß: In der schwarz-gelben Bundeskoalition und sogar innerhalb der CDU ist der Hebesatz auf die Einkommensteuer höchst umstritten. So sorgte Finanzminister Schäuble für helle Empörung bei der FDP, als er kürzlich unabgestimmt und an der von der Koalition eingesetzten Fach-Kommission vorbei seinen Vorschlag zu einem Hebesatzrecht für die Kommunen auf die Einkommensteuer unterbreitete. Die FDP will allenfalls mitziehen, wenn im Gegenzug die Gewerbesteuer entfiele. Davon aber will Schäuble bislang nichts wissen.

Was den baden-württembergischen Städtetag freut: "Die Abschaffung der Gewerbesteuer würde eine Verschiebung der Steuerlast von den Unternehmen zu den Bürgern bedeuten", betont Sprecher Manfred Stehle. Im kommunalen Hebesatz auf die Einkommensteuer sieht er keine Alternative zur Gewerbesteuer. Insofern begrüße man die Zusage Schäubles, die Gewerbesteuer bis auf Weiteres zu erhalten.

In dem Zuschlag auf die Lohn- und Einkommensteuer sehen die Kommunen folgendes Problem: Städte, die eine Vielzahl von Aufgaben auch für Umlandgemeinden wahrnehmen müssen, seien gezwungen, einen höheren Zuschlag zu erheben als Kommunen ohne zentrale Aufgaben, warnt Stehle. Die Folge sei eine gesplittete Steuerlandschaft.

"Schon quer durch die Familie könnte die Einkommensteuer verschieden hoch ausfallen", macht Stehle klar. Da würde dann der Onkel in Stuttgart mehr Einkommensteuer zahlen als etwa der Neffe, der in einer kleinen Gemeinde im Schwarzwald lebt.

Die Freiheiten, die der Bundesfinanzminister den Kommunen durch die Splittung der Einkommensteuer bescheren würde, sieht der Städtetag durch einen knallharten Wettbewerb um Einwohner überschattet. Über die steuerliche Attraktivität der Städte und Gemeinden, so die Befürchtung, würden diese dann mit den Füßen abstimmen.

Schäuble argumentiert, er wolle die Finanzierung der Kommunen auf eine breitere Basis stellen. Bislang sind die Gemeinden und Städte vor allem von der Gewerbesteuer abhängig. Diese schwankt je nach Wirtschaftslage stark. Gehen die Geschäfte schlecht, sinken die Gewinne und damit die Abgaben an die Kommunen. Die Einkommensteuer gilt als krisenfester. Bisher erhalten die Gemeinden einen pauschalen Anteil von 15 Prozent des Einkommensteueraufkommens von Bund und Land.

Steuerexperten wie Ralph Brügelmann vom IW Köln, sehen in der Reform allerdings weit mehr. "Sie würde dazu führen, dass es mehr Demokratie auf kommunaler Ebene gibt", sagt Brügelmann im Magazin "Der Spiegel". "Eine Kommunalregierung müsste sich bei ihren Wählern dafür rechtfertigen, wenn sie wegen eines teuren Infrastrukturplans die Steuern erhöhen muss."

Der baden-württembergische Städtetag sieht für solche Extratouren gleich gar keinen Spielraum. "Die kommunalen Finanzen bleiben weiter angespannt", betont Sprecher Stehle in Anspielung auf die positiven Ergebnisse der jüngsten Steuerschätzung. Auch nötige Investitionen würden über die nächsten zwei bis drei Jahre weiter aufgeschoben, und vielerorts drohten Schließungen kommunaler Einrichtungen. Der Einbruch bei den Gewerbesteuereinnahmen und dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer im vergangenen Jahr sei bis 2014 noch nicht wieder kompensiert. Stehle: "Auch die nach der letzten Steuerschätzung von Finanzminister Stächele angekündigten Steuermehreinnahmen gleichen die Verluste nicht aus." Zumal die Kommunen durch Sozialausgaben laut dem bundesdeutschen Städtetag seit 2008 um voraussichtlich mehr als neun Prozent auf bis zu 42 Milliarden Euro ansteigen werden.

Umso mehr nehmen die Kommunen Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) beim Wort. Der hatte auf der Hauptversammlung des baden-württembergischen Städtetags in Ulm versprochen, dass es keine Einsparungen zu Lasten der Kommunen geben werde. "Dabei soll der Schulden-Haushalt halbiert werden", macht Stehle deutlich. Um zugleich vor Steuersenkungen zu warnen, die nach dem positiven Ergebnis der Steuerschätzung schon wieder hier und dort eingefordert wurden. "Wir lehnen Steuersenkungen strikt ab, die zu Lasten kommunaler Haushalte gehen", lautet seine Antwort auf diese Vorstöße.