Am Landgericht Tübingen muss sich derzeit ein 37-Jähriger wegen zwei Taten verantworten, die er kurz nacheinander im vergangenen Oktober begangen haben soll. Foto: M. Bernklau

37-Jähriger gesteht Einbruch in Juweliergeschäft und Überfall auf Post-Filiale. "Alle Chancen vermasselt."

Tübingen / Bad Wildbad - Sechs Jahre lang hatte er nach langer krimineller Drogengeschichte sein Leben scheinbar besser im Griff. Dann kam im vergangenen Oktober ein Rückfall. Innerhalb eines Tages verübte ein 37-Jähriger in Bad Wildbad einen Einbruch in ein Juweliergeschäft und einen Überfall auf die Calmbacher Poststelle. Vor dem Tübinger Landgericht gab er sich geständig und reuig.

So etwas hatte Richter Ulrich Polachowski "noch nicht erlebt". Der wegen Einbruchdiebstahls und schwerer räuberischer Erpressung angeklagte 37-jährige Sergej J. erzählte nicht nur ebenso freimütig über seinen Lebensweg in die Drogenkriminalität wie über Vorgeschichte und Hergang der zur Verhandlung stehenden Taten, er hatte auch schon präzise Vorstellungen über seine kommende Haftzeit – einschließlich Suchttherapien und Sonderbesuchserlaubnis für seine Frau in der JVA Bruchsal.

Der Mann war 1994 mit Eltern und zwei Geschwistern aus Russland nach Deutschland gekommen, hatte irgendwie einen Schulabschluss und sogar eine Ausbildung geschafft, war aber bald nach seiner Bundeswehrzeit vollends in Trunksucht und Drogenkriminalität abgesackt. 21 größere und kleinere Vorstrafen nannte der Richter.

Staatsanwältin Anke Brendel warf dem Mann nun nicht nur vor, in der Nacht auf den 11. Oktober 2016 die Glastür eines Juweliergeschäfts am Kurpark von Bad Wildbad eingeschlagen und danach 476 Schmuckstücke im Wert von gut 16.900 Euro geraubt zu haben. Er soll am übernächsten Mittag auch maskiert die Poststelle in Calmbach überfallen haben und von der Angestellten durch Drohung mit einem "schusswaffenartigen Gegenstand" und einem Paket, das sich später als Bombenattrappe herausstellte, die Herausgabe von 16.395 Euro aus der Kasse und aus dem Tresor erzwungen haben.

Langes Geständnis unter Tränen

Noch am selben Tag konnten die örtlichen Polizeibeamten und die ermittelnde Kripo Calw den über den Hintereingang und einen Zaun geflüchteten Mann nach verschiedenen ziemlich genauen Hinweisen auf seine Person festnehmen.

Den in seiner Wohnung aufgefundenen Schmuck gab er bei der Vernehmung umgehend zurück, bevor er mit "schweren Entzugserscheinungen", so der ermittelnde Kriminalpolizist, in ein Haftkrankenhaus eingeliefert wurde. Einen Monat später offenbarte er den Beamten auch das Versteck des erbeuteten Geldes, der Bombenattrappe (mit heraushängenden Drähten und kleineren Knallkörpern) sowie einer veränderten Schreckschusswaffe in einem Gartenhaus.

Bei seiner langen, teils unter Tränen und mit starkem Akzent vorgelesenen Erklärung räumte der Angeklagte die Taten umstandslos ein. Aus der Bahn geworfen habe ihn aber ein zunächst verheimlichter Rückfall mit Ersatzdrogen, eine frühmorgendliche Polizeikontrolle nach einem durchgemachten Wochenende mit Freunden, die Kündigung seines Arbeitgebers nach einem "kalten Entzug", ein Streit mit seiner Ehefrau sowie die neuerliche Verurteilung zu einer Geldstrafe. "Aus Wut" habe er, betrunken und unter Drogen, die Tür des Juweliergeschäfts kurz nach Mitternacht eingetreten und später erst den Schmuck mitgenommen, als niemand auf den nächtlichen Lärm am Kurpark reagiert habe. Weil der Verkauf der Beute zu lange gedauert hätte, habe er sich anderntags zu dem Überfall entschlossen – um die Geldstrafe von 90 Tagessätzen bezahlen zu können, beteuerte er. Er habe "alle Chancen vermasselt, alles kaputt gemacht und sich selber mit den Taten bestraft", sagte er, und wolle in der zu erwartenden Haft noch einmal eine Wende für sein Leben versuchen, wie sie ihm 2009 gelungen sei.

Das Urteil wird in der kommenden Woche erwartet.