Die Rollstuhlfahrer Bernd Jost und Jürgen Winkler machten im Interview mit Mario Polzer (von links) deutlich, wie wichtig Mobilität im Alltag ist.                 Foto: Berufsförderungswerk

Etwa 90 Teilnehmer bei Fachtagung im Berufsförderungswerk Bad Wildbad. Assessment-Instrument hilft.

Bad Wildbad - Durchtrainiert und blendend gelaunt sitzen Jürgen Winkler und Bernd Jost in ihren Rollstühlen in der Sporthalle des Berufsförderungswerks Bad Wildbad (BFW) bei der Fachtagung "Berufliche Teilhabe durch Mobilitätskompetenz" und erzählen aus ihrem Leben.

Die beiden jungen Männer sind beeindruckende Beispiele dafür, wie mobil auch Hochgelähmte sein können, wenn sie das entsprechende Wissen über die Möglichkeiten der Fortbewegung haben. Denn Winkler und Jost sind sogenannte Tetraplegiker. Durch eine Verletzung der Halswirbelsäule sind bei ihnen alle vier Gliedmaßen, also Arme und Beine, von der Lähmung betroffen; Fingerfunktionen fehlen und die Motorik ist eingeschränkt. Doch die beiden wissen ganz genau, wie sie sich trotz der erheblichen Einschränkung fortbewegen können und sind inzwischen erfolgreiche Handbike-Sportler.

Rund 10.000 Kilometer pro Jahr sind sie mit den speziellen Liegerädern unterwegs. Sie halten Weltrekorde, sind Europameister und haben die Vereinigung "Das TetraTeam" gegründet. Doch auch sie mussten sich einst mit ihrer Behinderung arrangieren. Der gelernte Schreiner Jürgen Winkler schulte im BFW zum Industriekaufmann um. Heute können sie sagen: "Je mehr Wissen man hat, um so mehr traut man sich auch vor die Tür zu gehen".

Dieses Wissen zu vermitteln, darauf zielt das Projekt "Kompetent mobil" ab, das im April 2011 vom BFW in Kooperation mit der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, dem Josefsheim Bigge und dem Deutschen Rollstuhl-Sportverband ins Leben gerufen wurde und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert wird. Wissenschaftlich begleitet wird es vom Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport der Deutschen Sporthochschule Köln.

Nachdem die Ergebnisse des Projekts bereits in Hamburg und Bigge vorgestellt worden waren, fand nun die Abschlusstagung mit rund 90 Teilnehmern im BFW statt. Schließlich ist der Geschäftsführer des BFW, Wolfgang Dings, Ideengeber des Projekts, das sich sowohl an die behinderten Menschen selbst richtet, als auch an Fachkräfte aus den Bereichen Sozial- und Integrationsdienste, Werkstätten für behinderte Menschen, Kostenträger oder eben Berufsförderungswerke.

"Das Eintreten für Inklusion leben wir hier im BFW Bad Wildbad", machte Dings in seinen Eröffnungsworten deutlich. Für mobilitätseingeschränkte Menschen bedeutet die Fahrt mit Bus oder Bahn oder das Lösen von Tickets oft ein großes Hindernis. Aber: "Wenn ich meinen Arbeitsplatz nicht erreichen kann, nutzt mir der beste Arbeitsplatz nichts", weiß Dings.

Zwei Jahre lang haben sich die Experten auch in Bad Wildbad damit beschäftigt, pädagogische Lerneinheiten, sowie ein Assessment-Instrument zu entwickeln, damit behinderte Menschen ihr Leben so gestalten können, wie sie es möchten.

Der leitende Physiotherapeut der Heinrich-Sommer-Klinik im BFW, Oliver Bauer und seine Kollegin Nadine Becker haben gemeinsam mit Betroffenen Instrumentarien entwickelt, die bei der Tagung vorgestellt wurden. In Workshops konnten die Teilnehmer, darunter auch Ergo- und Physiotherapeuten aus Bad Wildbad und Langensteinbach, sowie Vertreter des Ministeriums und der Projektpartner, aber auch Betroffene selbst, den Umgang mit dem Rollstuhl üben. Das Omnibus-Unternehmen Südwestbus stellte einen Bus zur Verfügung und Fahrer Simon Merkle gab den Rollstuhlfahrern Tipps zum richtigen Einsteigen.

Am Ende stellte Oliver Bauer erfreut fest: "Die Inhalte des Projekts sind stimmig und können so umgesetzt werden." Auch Waldemar Minch, der im BFW arbeitet und selbst im Rollstuhl sitzt, war zufrieden mit der Tagung: "Ich habe den richtigen Umgang mit dem Handbike gelernt. Nun könnte ein großer Traum von mir in Erfüllung gehen: Eine Radtour mit meinen Kindern".