Ein Foto vom Theater um 1900. Foto: Bechtle

Königliches Kurtheater: Ruth Hagmaier besitzt Eintrittskarte für Eröffnungsfeier im Jahre 1898

Bad Wildbad - Es ist erstaunlich, welche Umwege bisweilen "Drucksachen" machen, bis sie schließlich dort wieder ankommen, wo sie entstanden sind. So erhielt die in Bad Wildbad wohnende Ruth Hagmaier jüngst einen großen Briefumschlag von ihrer in Kißlegg im Allgäu lebenden Tochter Corinna Müller. Im Umschlag befanden sich nicht nur alle Theaterzettel des Königlichen Kurtheaters Wildbad aus dem Jahr 1898, sondern auch die Einladung zur Eröffnungsfeier am 8. Juni 1898. An diesem Tag wurde die repräsentative Erweiterung des Theaters durch den Architekten Albert v. Beger dem "verehrten Publikum" in einer "Festvorstellung" mit dem Lustspiel "Im weissen Röss" präsentiert.

In der Spielpause von September 1897 bis zur Wiedereröffnung Anfang Juni 1898 war das bisherige Theater umgebaut worden: in östlicher Richtung – heute Richtung Meisterntunnel – wurde eine große Terrasse, im südlichen Vorbau – zum Trinkhallenplatz – eine repräsentative Kulisse mit Triumphbogennische angefügt. Die Giebelseite wurde mit Lyramotiven geschmückt, alle Zierdetails aus Holz gefertigt, die farblich von den verputzten hellen Wandflächen abgesetzt wurden.

Doch zurück zur Fest-Vorstellung des umgebauten Sommertheaters, dessen "Direction" Intendanzrat Peter Liebig während der Monate Juni, Juli und August innehatte. In der restlichen Zeit, also außerhalb der Theaterferien in den sonstigen Theatern, war Liebig Theaterdirektor am Hoftheater in Altenburg.

Mit dem königlich-preußischen Krönungsmarsch aus der Meyerbeer-Oper "Der Prophet" wurde die Fest-Vorstellung eröffnet. Der sich anschließende von Oberregisseur Jürgens vorgetragene "Prolog" bestand aus einem Gedicht von Ernst Wichert (1831-1902), einem deutschen Schriftsteller, der jedoch beruflich als Jurist tätig war. Nach einer Ouvertüre folgte ein Dreiakter, das Lustspiel "Im weissen Rössl" von Blumenthal und Kadelburg, an dem insgesamt 19 Schauspieler mitwirkten, unter ihnen in der Rolle der "Josephe Fräulein Lucy Lissl vom Grossherzoglichen Hoftheater in Mannheim als Gast".

Interessant ist das Anfang Juni auf einem weiteren Theaterzettel aufgeführte Personal-Verzeichnis für die dreimonatige Sommersaison 1898. Die 17 Mitwirkenden kamen aus sehr unterschiedlichen Theatern, und da es damals noch kein Arbeitslosengeld für Künstler gab, mussten sie auch während der Theaterferien arbeiten, um etwas zu verdienen.

Immerhin acht Schauspieler kamen vom Herzoglichen Hoftheater Altenburg, zwei vom Residenztheater Hannover, die anderen von den Grossherzoglichen und Herzoglichen Theatern Schwerin und Dessau sowie von den Stadttheatern in Düsseldorf, Nürnberg, Cöln, Bremen und Strassburg.

Gespielt wurde täglich außer Donnerstag, bisweilen auch zweimal am Tag. Es waren Lustspiele und Schwänke, also unterhaltsame heitere Kost, die neben den Kurkonzerten die einzige Möglichkeit der Unterhaltung waren, weshalb diese Veranstaltungen auch immer recht gut besucht waren. Einige Stücke sind auch heute noch bekannt: "Charleys Tante" – übrigens eine der bekanntesten Komödien, die in mehr als 100 Sprachen übersetzt und gespielt wurde – "Der kleine Lord", "Der Opernball" oder "Pension Schöler". 70 Theaterzettel sind es insgesamt, wobei manches Stück mehrfach gespielt wurde.

Eine Sondervorstellung war die Aufführung der Operette "Die Fledermaus", allerdings nicht von den Wildbader Künstlern, sondern als Gastspiel des Wiener Operetten Ensembles. Die "Cassa-Preise" lagen zwischen 50 Pfennig und vier Mark, wobei es auch Stehplätze gab. Günstiger war eine Dutzendkarte (sechs bis 18 Mark), mit der man zu beliebigen Stücken auch mit mehreren Personen kommen konnte, eben bis die zwölf Karten verbraucht waren.

Woher kamen die Theaterzettel? Auf dem großen Umschlag steht als Absender Bayerisches Staatsministerium Arbeit und Soziales. Wahrscheinlich wurden dort in den letzten Monaten alte Lagerräume oder Registraturen geräumt und diese Theaterzettel auf irgendeine Weise versteigert oder verkauft.