Die Englische Kirche im Kurpark sieht aus wie ein Gotteshaus auf dem Land. Foto: Bechtle

Englische Kirche in Kurstadt Bad Wildbad ist 150 Jahre alt. Umfangreiche Renovierung durch das Land.

Bad Wildbad - In diesem Jahr feiert die "Englische Kirche" in den Kuranlagen ihr 150-jähriges Bestehen. Ihre Entstehungsgeschichte ist sehr interessant.

In englischen Familien der Oberschicht waren im 19. Jahrhundert Reiseberichte vom "Kontinent" sehr beliebt. Der Schwarzwald und vor allem Wildbad, in dem von 1840 bis 1847 nach Plänen von Thouret das "Neue Badegebäude" (heutiges Palais Thermal) im Zusammenhang mit dem Badhotel entstand, machten auf die Engländer großen Eindruck.

In den folgenden Jahrzehnten nahmen immer mehr englische Familien sowie großer Dienerschaft die Reise auf sich, um diesen beliebten Kurort zu besuchen. Man bedenke: mit der Bahn nach Dover, dann Fährüberfahrt nach Calais, von dort mit der Bahn weiter bis Mühlacker und mit der Expresskutsche nach Wildbad – die Enztalbahn entstand erst 1867/68.

Bis 1865 wurden die sonntäglichen englischen Gottesdienste im Wechsel mit dem Gottesdienst für die katholischen Gäste in der Stadtkirche und im Konversationssaal des Badhotels gehalten. Zur Ergänzung: Die katholische Kirche St. Bonifatius wurde erst 1876 eingeweiht.

Nachdem in vielen Nobelbädern Europas aufgrund zahlreicher ausländischer Gäste, hauptsächlich aus Russland und England, vor allem russische aber auch englische Kirchen entstanden, wünschten die vielen englischen Gäste, auch in Wildbad ein entsprechendes Gotteshaus zu bekommen.

Thomas Föhl schreibt in seiner "Chronik einer Kurstadt als Baugeschichte": "Auf Betreiben des englischen Gesandten in Stuttgart, G. J. R. Gordon, stellte dann der Staat (Königreich Württemberg) der anglikanischen Hochkirche ein Grundstück hinter dem neuen Theaterplatz zur Verfügung." Die Stadt Wildbad – auch damals schon ständig in Finanznöten – unterstützte den Kirchenbau mit 1000 Gulden.

Dort in den Kuranlagen wurde die bescheidene kleine englische Kirche gebaut und 1865 geweiht. Die Umsetzung des Baus leitete August von Beyer aus Stuttgart. Übrigens entstanden im gleichen Jahr auch in Baden-Baden und in Stuttgart englische Kirchen. Umpflanzt, so Föhl, wurde die Kirche mit exotischen Gehölzen (Mammut- und Tulpenbaum), die zum Teil heute noch vorhanden sind.

Die Englische Kirche aus heimischem Sandstein gleicht einer englischen Dorfkirche. Sie ist 21 Meter lang, hat vier Joche, die wie ein umgekehrter Schiffsrumpf das Dach tragen. Während die Ostseite mit einem Chor abschließt, erhebt sich über der westlichen Seite (Richtung Enz) ein kleiner Dachreiter, der für ein Zwei-Glocken-Geläut gedacht war. Die Glocken sind allerdings nicht mehr vorhanden. Wahrscheinlich wurden sie im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen.

Zuständig für die Kirche war die "Society of the Propagation of the Gospel in foreign parts" (Gesellschaft zur Verbreitung des Evangeliums in fremden Ländern). Die Geistlichen kamen aus England. Die Kirche führte den Namen "Holy Trinity Church" (Kirche zur heiligen Dreieinigkeit). Englischer Gottesdienst wurde regelmäßig bis 1914 gehalten, im Sommer 1927 letztmals. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging das Gebäude in den Besitz des württembergischen Staates über, dem schon immer das Grundstück gehörte. Einige Jahre diente die Kirche der Christengemeinschaft als Gotteshaus.

Nach einer umfangreichen Renovierung durch das Land finden hier kulturelle Veranstaltungen vor kleinem Publikum statt. Inzwischen ist das Kirchlein ein romantischer Ort für standesamtliche und kirchliche Trauungen.

Im vergangenen Jahr wurden drei Gedenktafeln aus Metall gefunden, die auf zwei Geistliche und vermutlich einen Sponsor der Englischen Kirche hinweisen. Der erste Geistliche war William Ludlow aus Kirton. Er hatte sich – so der Text auf der Tafel – sehr um den Bau der Kirche bemüht und war seit 1863 als anglikanischer Geistlicher 25 Jahre lang bis 1888 im Sommer in Wildbad tätig.

Ludlows Nachfolger als Reverend (Pfarrer) war Alexander Frederick Dyce, der von 1889 bis 1897 im Sommer in Wildbad tätig war und während dieser Zeit in der Villa Helene (Olgastraße 46) wohnte. Während des Winterhalbjahrs gab es so gut wie keine Gäste, schon gar keine aus England. Deshalb wirkte Dyce in den Wintermonaten als Chaplain (Geistlicher) im südfranzösischen St. Raphael im Departement Var, in dem auch Cogolin liegt, die Partnerstadt von Bad Wildbad.