Die Helfer des Freundeskreises Asyl in Bad Wildbad bewegt besonders das Schicksal eines 19-jährigen Somaliers (von links): Bruno Knöller, Monika von Pigage, Roswitha Oschewsky sowie Vera Müller. Foto: Krokauer Foto: Schwarzwälder-Bote

Ehrenamtliche Mitarbeiter des Freundeskreises Asyl in Bad Wildbad sind betroffen über Schicksal eines Somaliers

Von Wolfgang Krokauer

Bad Wildbad. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Freundeskreises Asyl in Bad Wildbad sind wütend auf die Behörden. Anlass des Ärgers ist die Behandlung des Asylbewerbers Abdiramah (Name von der Redaktion geändert) aus Somalia. Der 19-Jährige soll vom Bad Wildbader Asylbewerberheim Uhlandshöhe am 4. Juni morgens um vier Uhr mit Handschellen abgeführt und nach Italien abgeschoben worden sein.

So jedenfalls schildert Vera Müller vom Freundeskreis Asyl bei einem Pressegespräch in der Uhlandshöhe das Vorgehen der Behörden: "Ich und der Freundeskreis Asyl haben erst nach sechs Tagen per Zufall von der Abschiebung erfahren. Niemand hat uns verständigt", so Müller. Vom Anwalt des Flüchtlings hätten somit keine Maßnahmen gegen die Abschiebung ergriffen werden können, fügt sie hinzu. "Auch die anderen Asylsuchenden waren geschockt über die Abschiebung, aber vor allem waren sie geschockt, dass wir nichts von der Abschiebung erfahren haben", macht sie deutlich. "Das ist nicht die feine Art, wie man mit Menschen umgeht", klagt Monika von Pigage, Vorsitzende des Freundeskreises Asyl in Bad Wildbad.

Wie es Abdiramah momentan geht, wissen die Helfer nicht. "Wir haben keinen Kontakt mehr", erbost sich SPD-Stadtrat Bruno Knöller, der sich ebenfalls im Freundeskreis engagiert. Er fordert von den Bundesbehörden, dass sie dem Freundeskreis Asyl die Adresse von Abdiramah nennen.

Flüchtling sollte eine Ausbildung absolvieren

Der junge Mann war den Helfern inzwischen ans Herz gewachsen. "Er ist ein besonderer Mensch – freundlich und höflich", macht von Pigage deutlich. Roswitha Oschewsky, die den Flüchtlingen Deutschunterricht gibt, hat ihn als besonders lernwillig kennengelernt. Und zwar so lernwillig, dass sogar der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald, Martin Keppler, auf ihn aufmerksam wurde. Dieser will sich für eine praxisbezogene berufliche Ausbildung von Abdiramah einsetzen. In einem Schreiben Kepplers, das dem Schwarzwälder Boten vorliegt, heißt es, dass Abdiramah vom 22. Juni bis 3. Juli beim Berufsförderungswerk Schömberg für eine Maßnahme zur Kompetenzfeststellung angemeldet sei. "Durch umfangreiche medizinische und Eignungsdiagnostik soll ermittelt werden, welche Berufsausbildung für ihn in Frage kommt", heißt es in dem Brief. Bei dieser Maßnahme handele es sich um ein neues Konzept für Asylsuchende, die einen Beruf lernen wollen, macht Oschewsky deutlich: "Der Coach stand schon fest." Nach Müllers Worten habe schon ein Arbeitsgespräch mit dem Flüchtling, IHK-Hauptgeschäftsführer Keppler und leitenden Mitarbeitern des Berufsförderungswerkes in Schömberg stattgefunden. Die Gesprächspartner seien vom Asylbewerber sehr angetan gewesen, so Müller. Abdiramah sei gerne in die Berufsförderschule in Wimberg gegangen, ergänzte sie. Er habe beim Fußballverein Calmbach trainiert und sich regelmäßig im Jugendhaus aufgehalten. Keppler selbst war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, da er momentan im Urlaub ist.

Nach all den Leiden schien Abdiramahs Leben also eine positive Wende zu nehmen. Mit 17 Jahren war er von Somalia durch die Wüste geflüchtet und mit einem Boot in Italien gelandet, schildert Müller sein Schicksal. In Italien wurde er sofort mit Fingerabdruck registriert. Nach Deutschland kam Abdiramah im März 2014, weil seine Krankheit, die Tuberkulose, wie sich in Deutschland herausstellte, nicht behandelt wurde und die Situation für Flüchtlinge schlecht war, so Müller. "Hier in Deutschland kann ich in Frieden leben und ich arbeite alles, was von mir verlangt wird. Aber erst muss ich Deutsch lernen", habe er zu ihr gesagt.

Petition an den Bundestag

Doch es half nichts. Im September 2014 erhielt er ein Schreiben, wonach er nach dem Dublin-Verfahren in Italien registriert sei und deshalb dorthin zurück müsse, so Knöller. Es folgte ein weiterer Brief, wonach er bis zum 23. August 2015 gehen muss, fügte Knöller hinzu. Zudem lehnte das Verwaltungsgericht Karlsruhe den Asylantrag ab, sagte Müller. Das Hauptverfahren läuft aber weiter. Sie legte eine Petition beim Landtag in Baden-Württemberg ein. Der leitete sie weiter an den Bundestag, weil er nicht zuständig ist. Vom persönlichen Berater des Bundestagsabgeordneten Hans-Joachim Fuchtel (CDU) sei die Antwort gekommen, dass sich der Abgeordnete aus rechtlichen Gründen nicht einmischen dürfe. Immerhin habe der persönliche Berater der Bundestagsabgeordneten Saskia Esken (SPD) einige gute Tipps gegeben, so Müller.

Nach der Abschiebung von Abdiramah ruft Bruno Knöller bei der Flüchtlings- und Migrationsbehörde in Karlsruhe an. Dabei wird ihm nach eigenen Angaben von einer Sachbearbeiterin mitgeteilt, dass die Petenten nicht abgeschoben werden dürfen, solange Petitionen und Härtefälle bearbeitet werden. Der beratende Anwalt rät zu einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen das Regierungspräsidium Karlsruhe, die Müller am 19. Juni einreicht. Am gleichen Tag wird der Bundestag informiert.

Die Behörde in der Fächerstadt antwortet, dass für die Prüfung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig ist. "Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat die Rückführung des Betroffenen nach Italien für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durchgeführt. Das Petitionsverfahren hat hierbei keine aufschiebende Wirkung", heißt es in der Antwort zur Dienstaufsichtsbeschwerde, die unserer Zeitung vorliegt.

Auch vom Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages erhält Vera Müller die Antwort, dass ein Petitionsverfahren keine aufschiebende Wirkung habe. Das Bundesinnenministerium bringt vor, dass der Flüchtling keine besonderen beruflichen Fachkenntnisse und keinen Arbeitsvertrag habe, die dazu führen könnten, dass er jetzt einen Mangelberuf ergreifen könne. "Die Überstellung des Petenten nach Italien war somit rechtens", heißt es aus dem Hause von Thomas de Maizière.

"Wir befinden uns in einem Unrechtsstaat"

Vera Müller und ihre Mitstreiter wollen nicht aufgeben. Sie fordern eine Rückführung des Flüchtlings. Er soll an einem Berufsfindungskurs in Schömberg teilnehmen und eine Berufsausbildung absolvieren. Schließlich solle festgestellt werden, dass die Überstellung rechtswidrig, mindestens aber eine unzumutbare Härte sei und dass die bisherige Vorgehensweise weder dem Grundrecht auf Asyl noch auf Petition entspreche. Knöller verstieg sich in der Pressekonferenz sogar zu der Feststellung: "Wir befinden uns in einem Unrechtsstaat." Gerade auch für Minderjährige, der Abdiramah bei seiner Flucht war, sollte ein besonderer Schutz gelten. Außerdem kann er nicht verstehen, dass die Behörden nicht einmal die von ihnen selbst gesetzte Frist bei der Abschiebung abgewartet hätten. "Der Staat hat keine Linie. Die rechte Hand weiß nicht, was die linke tut", klagt Monika von Pigage. Sie fühlt sich von der großen Politik allein gelassen: "Uns fehlen klare Richtlinien."

Uwe Herzel, Pressesprecher des Regierungspräsidiums Karlsruhe, verwies auf den Fall angesprochen auf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das in Nürnberg sitzt. Von dessen Pressestelle wiederum kam auch nach mehrmaligen Anfragen keinerlei Reaktion.