Jan Friso Meyer und Ehefrau Gabriele Meyer in ihrer guten Stube in Bad Wildbad-Aichelberg. Foto: Kunert Foto: Schwarzwälder-Bote

Porträt: Ehemaliger Schauspieldirektor Jan Friso Meyer hat sich in Bad Wildbad zur Ruhe gesetzt

Ein Leben fürs Theater. Jan Friso Meyer hat es gelebt. 27 Jahre lang – von 1981 bis 2008 – prägte er das Stadttheater Pforzheim, zuletzt als Schauspieldirektor. Seit drei Jahren leben er und Ehefrau Gabriele in Aichelberg. Weil’s an die Heimat erinnert.

Bad Wildbad-Aichelberg. Diese "Heimat" – das mag überraschen – war für Jan Friso Meyer Ostfriesland. Geboren wurde er in der Stadt Norden. "Aichelberg hat tatsächlich viel mit Ostfriesland gemeinsam", erzählt der Theatermann: eine ebene Lichtung zwischen Wald, dazu saubere, klare Luft. "Wir sind hier schnell heimisch geworden." Und dann wird ostfriesischer Tee serviert, in edlen Porzellantassen, mit einem Tropfen Sahne und Kandiszucker. Perfekt für kalte Tage am Kaminfeuer, das ebenfalls hier in der guten Stube der Meyers prasselt.

Ein Hort der Gemütlichkeit. Eine gelungene Inszenierung für den Lebensabend, mit ledernen Clubsofas und Bücherwänden voller großer Literatur. "Oben in meinem Arbeitszimmer gibt es noch viel mehr Bücher, das hier ist der geringste Teil." Eigentlich habe er Anwalt werden wollen. Oder eher sollen. Aufgewachsen in Loccum, ging Meyer zum Studium nach Göttingen – gemeinsam mit seiner Gabriele. Die auch Jura studieren wollte.

"Wir sind quasi seit dem Sandkasten zusammen." Naja, nicht ganz: "Seit der Schülerzeitung." Für Gabriele Meyer ein Omen. Eines Tages saß sie im Gericht und dachte: "Das kann es doch nicht sein!?" Lief schnurstracks zur nächsten Zeitungsredaktion und bat um ein Volontariat. Das bekam sie. So wurde ihr Leben das einer Journalistin.

Götz George beim Training zugesehen

Ehemann Jan Friso hatte ein ganz ähnliches Erlebnis. Damals in den 1960er-Jahren war Göttingen eine Theater- und Filmstadt. Das ZDF wurde gerade gegründet, wollte nach Göttingen – nicht nach Mainz. Aber die Stadtväter dort lehnten ab. "Götz George hatte in Göttingen seine frühen Jahre." Man habe ihm immer beim Vorbeigehen in seinem Zimmer beim Krafttraining zusehen können. Und ein gewisser Gerhard Schröder war Kommilitone der Meyers. "Aber ich mochte meine Kommilitonen an der juristischen Fakultät nicht." Zu zynisch, zu abgeklärt. "Ich war 68er, hatten einen Ethos von Gut und Böse", den ein Anwalt nicht haben sollte.

Ein Klassenkamerad überredete Jan Friso in der Kneipe, als Statist in "Die Schlacht bei Lobositz" von Peter Hacks mitzuspielen. "Ich gab einen Soldaten." In einer der Proben habe er dann "eine Erleuchtung" gehabt: "Ich wusste mit einem Mal ganz genau – ich will zum Theater." Nicht als Schauspieler, als Regisseur. Warum? Was es war? "Das überlege ich seitdem auch die ganze Zeit." Wenn er gut drauf sei, "gibt es nichts Schöneres als das Theater". Aber wenn er schlecht drauf sei: "Eine Schlangengrube!"

Seine Mutter sei damals entsetzt gewesen, als er zum Theater ging. "Meine Frau auch." Die bestätigt: "Ich hätte lieber einen Anwalt gehabt." Der Sicherheit wegen. Und der Vater? Der war Superintendent, in hiesigen Breiten nennt man das Dekan. Ein Kirchenmann. "Der sagte eine Woche gar nichts und dachte darüber nach." Dann sprach er zum Sohn: "So gehst du nun also auf die weltliche Kanzel." Und hatte fortan seinen Frieden mit der Berufswahl des Filius gemacht.

Es folgten die Wanderjahre des Theaterregisseurs Jan Friso Meyer. Eine Assistenz noch in Göttingen, nach zwei Jahren die erste eigene Inszenierung – die "Eisenwichser" vom damals noch unbekannten Heinrich Henkel. Das erste große Engagement am Oldenburgischen Staatstheater (in Oldenburg), 1981 dann der Ruf nach Pforzheim – damals noch als Oberspielleiter ans Theater Osterfeld, von wo aus er später das neue Stadttheater mit aufbaute. Und wo Meyer schließlich zum Schauspieldirektor aufstieg.

Nicht nur schönster, auch fürchterlichster Beruf

"Seine Spielzeiten sind bis heute laut Statistik die erfolgreichsten am Pforzheimer Theater", erzählt Ehefrau Gabriele nicht ohne Stolz auf ihren Jan Friso.

Ist da das Leben auf dem Dorf im Nordschwarzwald für einen Vollblut-Theatermann wie ihn nicht irgendwie wie ein Exil? Jan Friso Meyer winkt ab. "Ich bin gerne im Ruhestand." Denn er habe ja nicht nur den schönsten, sondern eben auch den fürchterlichsten Beruf von allen. Außerdem seien seine Frau und er beeindruckt von der Theaterlandschaft hier – völlig anders als sie erwartet hätten.

"Jedes Dorf hat seine Theatergruppe", gerade das Theater in Simmersfeld fasziniere sie immer wieder sehr. Wobei "ich mittlerweile auch wieder etwas Lust hätte, selbst etwas zu inszenieren". Nicht Großes, eine der "kleinen Perlen" vielleicht. "Nathan der Weise" von Lessing sei eines seiner Lieblingsstücke ("Das war mein Antrittsstück in Pforzheim"), "Warten auf Godot" von Samuel Beckett ebenfalls. Auch ein Antrittsstück – am Staatstheater in Oldenburg.

"Schwierig, schwierig", sinniert Meyer über den "Godot". Er habe das Stück seinerzeit gelesen, "aber nicht verstanden". Und deshalb seinen Intendanten um Rat gefragt. "Sie sind doch musikalisch", habe der entgegnet. "Es geht um Rhythmus, Tempo und Timing." So habe er das Thema von "Godot" entdeckt: "Es geht um das Leben an sich, wie man die Zeit vertreibt."

Und es sei alles drin, sei wahnsinnig komisch, und doch auch tragisch. "Unglaublich komplex", bei aller Schlichtheit. "Ich würde es eigentlich schon gerne noch einmal neu Inszenieren", sagt Jan Friso Meyer schließlich sehr nachdenklich – der Schauspieldirektor im Ruhestand mit Ruhesitz in Bad Wildbad-Aichelberg. "Ich hätte da ein paar wirklich gute neue Ideen." Und nippt mit einem sehr hintergründigen, in sich gekehrten Lächeln an seinem ostfriesischen Tee.