Thomas Huber gibt im Anschluss an seine Multivisions-Show Autogramme. Foto: Kunert Foto: Schwarzwälder-Bote

Multivisions-Show: Tod ist bei Extremkletterern immer gegenwärtig / Ein wahnsinniger Kerl

Was für ein Pfundskerl dieser Thomas Huber doch ist! Ein Rockstar der Berge, ein Wahnsinniger wie er selbst sagt. Ein moderner Gladiator – der aber nur gegen sich selber, seinen Körper und natürlich die schwierigsten Felswände der Welt kämpft.

Bad Teinach-Zavelstein. Dabei ist er ein "netter Kerl", zu dem man gerne an diesem Abend ins KoNi in Bad Teinach-Zavelstein kommt. Es ist ein wenig so, als ob ein guter alter Freund seine Urlaubsdias zeigen will.

Thomas Huber, der ältere der "Huber-Buam", trägt Jogging-Hose und ein T-Shirt, das er später auch auf einem der Bilder tragen wird, das ihn bei einer seiner Pakistan-Expeditionen zeigt. Ein bisschen peinlich berührt ist er, als er das bemerkt. Müsste er gar nicht – beweist es doch nur, dass dieser Mann trotz seiner Bekanntheit keinerlei Allüren hat. Der ist halt so.

Eben total echt. Authentisch. Unverfälscht. Muss und will nicht mehr scheinen als sein.

Offen erzählt er auch von seinen Niederlagen, wie oft er am Cerro Torre gescheitert ist – diesem Sehnsuchtsberg aller Felsenkraxler dieser Welt in Patagonien, an der Grenze zwischen Argentinien und Chile: 2000 Meter hoch aufragender blanker Granit, von den stärksten Stürmen dieser Welt zu einer bildschönen Nadel geformt.

Cerro Torres wird zum Sinnbild seiner Lebensgeschichte

Der Cerro Torre soll eigentlich das Thema sein dieser Huber-Multivisions-Show mit Film-Einlagen, Musik und den Live-Berichten des Protagonisten des Abends. Ist er auch. Aber er ist auch der Aufhänger für Hubers ganze dramatische Lebensgeschichte. Eine Geschichte von Leben und Tod – denn letzterer, er ist immer gegenwärtig im Leben eines Bergsteigers.

Huber selbst – seine Narben: nicht gezählt die kleinen Blessuren, Bänderrisse oder was es sonst noch so gibt. Aber die Krebs-Diagnose am Vorabend einer lange geplanten Expedition – Not-OP, dann doch die Erlösung: Der Nieren-Tumor war gutartig. Zeitgleich traf es auch einen Kollegen, Freund – auch Nieren-Tumor, die Geisel der so oft dehydrierten Bergsteiger. Der aber starb.

Bilder eindrücklicher als Blockbuster aus Hollywood

Der Latok II im Karakorum-Gebirge (Pakistan) – noch so ein Schicksalsberg. Auch er verweigerte sich den Huber-Brüdern. Stattdessen mussten sie eine dramatische – letztlich vergebliche – Rettungsaktion für zwei amerikanische Kollegen starten. Die Liste derer, denen Huber mit seinem Vortrag auch ein Gedenken setzen möchte, ist lang. Erschreckend lang. Die Bilder dazu sind extrem eindrücklich, bewegen einen. Das ist nicht Hollywood, irgendein Blockbuster – ein Cliffhanger für Arme. Das hier ist echtes Leben, echte Menschen, echte Schicksale. Echte Schmerzen. Verdammt reale Trauer.

Ja, diese Kerle sind Wahnsinnige. Und Thomas Huber ist wohl der Wahnsinnigste von allen. Am 5. Juli dieses Jahres stürzte er an seinem Hausberg in Berchtesgaden, wo er wohnt, ab. Tausendmal bestiegen, nie was passiert. Jetzt: exakt 16,371 Meter geht es in knapp zwei Sekunden hinab – weil ein geliehenes Seil kürzer war als das eigene. Am gefährlichsten ist eben die Routine, die falsche Sicherheit. Diagnose: schwerer Schädelbasisbruch – Huber zeigt im KoNi die Röntgenaufnahme, es gefriert einem das Blut. Nur drei Wochen später startet er – gesund, wie die Ärzte seines Vertrauens sagen – zur nächsten Expedition. Wirklich – ein Wahnsinniger.

Thomas Huber junior hat Thomas Huber senior mit nach Zavelstein gebracht, seinen Vater. "Haben Sie nicht mit Ihrem Sohn geschimpft – soviel Unvernunft?" Der alte Herr, genauso sympathisch wie seine Söhne, schüttelt den Kopf mit den längst weißen Haaren: "So isser halt." Und der Senior wohl auch, der selbst die Watzmann-Ostwand bezwang und auf 65 Viertausendern stand. Eine verrückte Familie. Leben am Limit, immer wieder.

Jeder versteht sofort, wie die Sucht nach Gefahr entsteht

Warum ist jemand so süchtig nach der Gefahr? Thomas Huber junior gibt einen Eindruck davon – und jeder der Gleichgesinnten im KoNi versteht das sofort: Berg ist Freiheit, ist Abenteuer, ist pralles und pures Leben, ist Adrenalin, sicher auch Gefahr – aber erst das macht einen Kerl zum Kerl.

Nächste Woche wird der junge Thomas Huber 50 Jahre alt. Unfassbar. Der Fels muss auch ein Jungbrunnen sein. Die absolute Fitness, die man da braucht, ist auch der Grund, warum solche Typen ihre Niederlagen – wie einen massiven Schädelbruch – körperlich so gut wegstecken können.

Fluch und Segen, nirgendwo sonst liegt es wohl so nahe beieinander.

Aber ab und an muss man das alles auch Rausschreien können. Thomas Huber (junior) tut das in seiner Rockband "Plastic Surgery Disaster" – eben doch auch ein echter Rockstar.

Für seine Band hat er als Ergebnis seiner ewigen Jagd nach dem Berg den Song "Desire" geschrieben – "Desire", steht im Englischen für Verlangen, Sehnsucht, Begierde, Begehren, Trieb und Lust. Besser lässt sich das Leben dieses Mannes wohl kaum zusammenfassen.