Empfang der Stadt Bad Teinach Zavelstein (von links): Ernst Kolman mit Bürgermeister Markus Wendel sowie Kreisarchivar Martin Frieß und Norbert Weiss vom Initiativkreis für das Gedenken an Eugen Marx. Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder-Bote

Gedenkwoche: Stadt Bad Teinach-Zavelstein empfängt Ernest Kolman / Eugen Marx war als Arzt beliebt

Die Fassade des damaligen Bad Hotels hat Ernest Kolman sofort wieder erkannt. Auch nach 80 Jahren, als er zu Besuch bei seinem Onkel Eugen Marx war. Der Mediziner praktizierte in Neuweiler und war Badearzt in Bad Teinach.

Bad Teinach-Zavelstein. Kolman ist anlässlich einer Gedenkwoche an den jüdischen Arzt Eugen Marx aus London angereist (wir berichteten). Der heute 90-Jährige war 1939 mit einem Kindertransport nach England gekommen und lebt heute in London.

"Mein Leben" nennt Kolman seine Biografie. "Ich habe angefangen zu lesen und das Manuskript nicht mehr aus der Hand gelegt", sagt Bürgermeister Markus Wendel, als er Kolman im Rathaus von Bad Teinach-Zavelstein empfängt.

Von zwei Nazis brutal verprügelt

"Es sind Erinnerungen an eine friedliche Zeit", sagt Kolman, wenn er an seine Kindheit zurückdenkt. Marx war ein beliebter Arzt. Das belegen die Aussagen zahlloser Zeitzeugen. Ernest Kolman ist mit seinem Onkel in dessen Auto im Teinachtal viel unterwegs gewesen, wenn der Distriktarzt zu Hausbesuchen zu seinen Patienten fuhr. "Die Leute waren alle sehr nett zu mir und haben mir Süßigkeiten geschenkt."

Das war, nachdem die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 an die Macht gekommen waren, ganz schnell anders. Marx wurde nachts raus geklingelt und von zwei Nazis brutal verprügelt. Es kam zu Denunziationen wegen angeblich sittlicher Verfehlungen. Der Arzt kam ins Konzentrationslager Heuberg bei Balingen.

Der Initiativkreis, der die Gedenkwoche für Marx und seine Familie organisiert hat, war bei seinen Recherchen auf einen Artikel im "Stürmer" gestoßen, einem antisemtischen Hetzblatt der Nazis. Dort findet sich im Herbst 1933 unter der Überschrift "Der Arzt von Teinach" eine Zuschrift des fanatischen Judenhassers Ferdinand Kördel. Der Kaufmann aus Hannover empfindet es als Zumutung, dass "sämtliche Kurgäste gezwungen sind", sich in die Behandlung des jüdischen Arztes zu begeben. Paradoxerweise stellt selbst Kördel fest, dass Marx als Arzt sehr beliebt gewesen sein muss, niemand aus der Bevölkerung habe etwas gegen ihn vorzubringen. Ja sogar einen SA-Mann habe er als Chauffeur beschäftigt.

Was da innerhalb kürzester Zeit geschehen ist, kann Kolman bis heute nicht verstehen. Gerade noch ein beliebter Arzt und plötzlich – kaum waren die Nazis an der Macht gekommen – geschlagen und verleumdet. "Ich weiß nicht, ob hier etwas in der Luft ist, dass alles so geworden ist", sagt er kopfschüttelnd im Teinacher Rathaus.

Mit Blick darauf, was den Juden und anderen verfolgten Minderheiten in der NS-Zeit an Grausamkeiten noch bevorstand, steht für Kolman fest, dass "die Schuld dafür auf immer und ewig auf den Schultern der Deutschen liegt".