Das Männerquartett der Aurelianer umrahmte den Neujahrsempfang in Bad Teinach. Foto: Fritsch

Gastronomie: Dehoga-Kreischef zieht beim gestrigen Neujahrsempfang der Branche in Bad Teinach mächtig vom Leder

Von Sebastian Bernklau

Eigentlich geht es Hotellerie und Gastronomie gut. Die Zahlen stimmen. Doch ein Stachel sitzt der Branche tief im Fleisch. Und dieser Stachel ließ Rolf Berlin, den Kreischef der Gastronomen, gestern eine Breitseite gegen die große Politik abfeuern.

Bad Teinach-Zavelstein. Es ist immer ein gediegenes Ambiente beim Neujahrsempfang des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) im Kreis Calw im großen Festsaal des Hotels Therme Bad Teinach. Köche und Gastronomen aus dem gesamten Landkreis kredenzen den Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kultur Feines aus ihren Küchen und Kellern. Immer bestens abgeschmeckt.

"Wehrt euch gemeinsam mit uns gegen diesen Irrsinn"

Für die Schärfe war beim gestrigen Neujahrsempfang jedoch keiner der Köche aus der Region verantwortlich. Die brachte der Kreischef der Dehoga, Rolf Berlin, in seiner Ansprache ins Spiel. Anlass dazu gaben ihm nicht die Zahlen der Branche im Kreis Calw. Die sind blendend. Im Kreis Calw erwirtschafteten 500 Betriebe aus Hotellerie und Gastronomie einen Jahresumsatz von 110 Millionen Euro. 2200 Menschen sind in der Branche sozialversicherungspflichtig. Auf den ersten Blick also kein Grund zur Klage. Und doch steckt den Hoteliers und Gastronomen ein Stachel im Fleisch, der Rolf Berlin auf die Palme bringt. Das ist nicht so sehr das Mindestlohngesetz, das schon früher Kritik hervorrief. Es sind die Arbeitszeitregelungen des Bundes, gegen die der Dehoga-Kreischef im festlichen Rahmen des Empfangs Front machte.

Diese Regelungen seien "realitätsfremd". Sie hätten dazu geführt, dass viele Betriebe ihre Öffnungszeiten einschränken und Minijobber entlassen mussten, berichtete Berlin. Viele Gastronomen hätten profitables Geschäft absagen müssen, weil es unter den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes schlicht nicht hinzubekommen sei. Das alles führe zu einer enormen Mehrbelastung der Betreiberfamilien. Denn nur durch deren Mehrarbeit sei es überhaupt noch möglich, die Betriebe unter diesen Umständen am Laufen zu halten. Diese Entwicklung sei auf lange Sicht Gift für den Tourismus im Land und im Kreis, ärgerte sich Berlin.

Kampf um S-Bahn aufgenommen und auch gewonnen

Mit diesen Regelungen hindere der Staat die Branche daran Umsätze zu machen. Das sei ein "Eingriff in das freie Unternehmertum" und eine "Zerstörung unserer Volkswirtschaft", schimpfte der Hotelier aus Bad Teinach-Zavelstein, der seine Berufskollegen dazu aufforderte, gegen diese Politik Front zu machen: "Wehrt euch gemeinsam mit uns gegen diesen Irrsinn." Ziel müsse eine Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes sein. Dabei gehe es nicht um längere Arbeitszeiten für die Mitarbeiter, sondern um mehr Flexibilität. Schon eine Umstellung von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit würde vielen Betrieben helfen, so Berlin weiter.

Die reichlich erschienene Politprominenz aller Couleur mahnte der Dehoga-Kreischef, dass die Branche im Landtagswahlkampf sehr genau darauf schauen werde, wer sich wirklich für die Gastronomie einsetze, für sie kämpfe. Einen dieser echten Kämpfer nannte Berlin konkret beim Namen: Landrat Helmut Riegger. Der habe die verloren geglaubte Schlacht um eine S-Bahn in den Kreis wieder aufgenommen und auch gewonnen: "So sehen Sieger aus", schwärmte Berlin über den Kreischef. Trotz des politischen Ärgers gehe man zuversichtlich in das neue Jahr, dazu habe man allen Grund, schloss Berlin seine kämpferische Rede.

Weniger kämpferisch, vielmehr analytisch betrachtete Gastredner Alexander Doderer von der Fachhochschule Furtwangen die Situation der Tourismus-Branche – mit dem Ergebnis, dass man sich im Nordschwarzwald – in dem eine beachtliche Dynamik in diesem Sektor herrsche – mehr und mehr in Richtung Premium-Segment orientieren sollte. Musikalisch im Premium-Segment bewegten sich die Künstler, die für das Rahmenprogramm des Empfangs zuständig waren: das Männerquartett der Aurelianer.