Fritz Weitner hat seine Kindheit und Jugend bei einer Pflegefamilie in Bad Rippoldsau verbracht. Foto: Weitner Foto: Schwarzwälder-Bote

"Ein herzig Lied" bringt Fritz Weitner auf die Spur des Dichters Freiligrath – und weckt eigene Erinnerungen

Von Claus Wiegert Bad Rippoldsau-Schapbach. "Was ist die Welt doch klein", dachte Fritz Weitner (70), als er von einem Gedichtautograph des Lyrikers Ferdinand Freiligrath las, das in Bad Rippoldsau entstanden war. Wurden ihm, was die Lebensstationen betrifft, durch das Albumblatt doch einige Parallelen mit dem großen deutschen Dichter deutlich.

Weitner hat seine Kindheit und Jugend in dem Dorf im Wolftal verbracht, lebt aber nun schon lange in der Gemeinde Schlangen, etwa 14 Kilometer von Detmold entfernt, im Kreis Lippe in Nordrhein-Westfalen. Der Lyriker Freiligrath, in Detmold geboren, war von Juli bis Anfang August 1868 zur Kur in Bad Rippoldsau.

Nicht wie bei dem populären Dichter fast 145 Jahre, aber doch schon mehr als 50 Jahre liegt Fritz Weitners Zeit in dem Dorf im Wolftal zurück. Dort, wo heute das Kurhaus steht, auf der "Dreimatt", war das Forsthaus, in dem er aufgewachsen ist. Mit Bad Rippoldsau verbindet Weitner durchweg gute Erinnerungen – wie der wohlbeleibte Lyriker fast ein Jahrhundert zuvor. Für das Kind aus dem Ruhrgebiet nahm im Wolftal eine tragische Kriegsgeschichte eine positive Wendung. Geboren wurde Fritz Weitner in Dortmund. Die Familie wurde ausgebombt, und der Junge kam 1943 mit seinem Bruder und weiteren etwa 20 evakuierten Kindern nach Wolfach. Von dort aus wurden die Kinder auf verschiedene Pflegefamilien verteilt.

Familie Roth aus Bad Rippoldsau nahm Fritz Weitner, damals gerade elf Monate alt, als Pflegekind auf. Das war, wie er sich erinnert, eine glückliche Fügung. Auch nachdem er 1960 aus Bad Rippoldsau weggezogen war, kam er regelmäßig zurück ins Wolftal, später auch mit seiner Familie. Im April dieses Jahres reist Fritz Weitner wieder nach Bad Rippoldsau. Anlass für den fünftägigen Besuch ist ein Klassentreffen.

Fritz Weitner, Mitglied im Lippischen Heimatbund, hat mit großem Interesse einen Beitrag von Detlev Hellfaier gelesen, in dem sich der Autor auch mit Freiligraths Aufenthalt in Bad Rippoldsau befasst. Der Direktor der Lippischen Landesbibliothek Detmold hat die Abhandlung in der "Badischen Heimat" veröffentlicht.

Freiligrath, einer der populärsten deutschen Dichter seiner Zeit, ließ demnach im Frühjahr 1968 brieflich wissen, dass er "aus Gesundheitsrücksichten für eines meiner Kinder einen kurzen Aufenthalt in irgend einem kleinen Bade der Pfalz oder des Schwarzwalds" plane. Wie er dann auf Bad Rippoldsau kam, ist allerdings unbekannt.

Freiligrath war zur Ruhe und Entspannung, aber auch wegen der angegriffenen Gesundheit einer seiner Töchter in das Schwarzwaldbad gereist. Mit der Ruhe dürfte es allerdings nicht allzu weit her gewesen sein, mutmaßt Hellfaier. Stand der berühmte Dichter doch auch im Wolftal im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Interesses.

"Herrlich undschön, wenn auch etwas langweilig"

In einem Brief an den befreundeten Publizisten Levin Schücking in Westfalen schrieb Freiligrath am 7. Juli aus Bad Rippoldsau: "Alles ist herrlich und schön, wenn auch etwas langweilig." Seiner ältesten, in London verheirateten Tochter Katharine schickte er aus Bad Rippoldsau folgendes Gedicht: "Wo ich heute die Feder führe, rauscht der Wald vor meiner Türe, rauschen hundert Wässerlein; rauschen, rinnen, rippeln, rieseln, bald auf Moos und bald auf Kieseln, und die Grillen zirpen drein" Außerdem fand Freiligrath: "Es ist wirklich sehr schön hier. Wald und Wasser, Bäume und Bäder – das ist die Losung im Tale von Rippoldsau."

Bei seinem Kuraufenthalt im Wolftal übersetzte der Lyriker auch zwei Strophen eines Gedichts des schottischen Dichters Robert Burns. So schrieb Freiligrath unter dem Titel "An einen Freund, Mai 1785" am 4. August 1868 "zur freundlichen Erinnerung an die schönen Sommertage unter den rauschenden Tannen und Quellen von Rippoldsau" unter anderem: "Nie ließ die Muse sich gewinnen, trieb es den Dichter nicht, zu sinnen, einsam, wo Bäche rieselnd rinnen, und rauscht das Ried; o süß, zu schweifen und zu spinnen ein herzig Lied!"

Nach 140 Jahren fand das handbeschriebene Albumblatt mit den zwei Strophen den Weg in die Freiligrath-Sammlung der Lippischen Landesbibliothek in Detmold.