Von vorentscheidender Bedeutung für die Zukunft der Gemeinde ist, wer ins Rathaus von Schapbach einzieht. Foto: Wiegert

Bürgermeisterkandidat Ulrich Krauth spricht sich für Zusammenschluss zu Freudenstadt aus. Drei Beispiele aus dem ländlichen Raum.

Bad Rippoldsau-Schapbach - Ulrich Krauth hat in seiner Gemeinde Bad Rippoldsau-Schapbach gerade keinen leichten Stand. Der Geschäftsmann und CDU-Ortsverbandsvorsitzende kandidiert dort im Bürgermeisterwahlkampf gegen einen amtierenden Parteikollegen, und das mit einem Thema, das manch einer gar nicht gerne diskutieren mag: die Eingemeindung der jetzt selbstständigen Kommune zu Freudenstadt.

Krauth tritt an, um gegebenenfalls abzutreten, denn er will prüfen, ob Bad Rippoldsau-Schapbach als Stadtteil der großen Kreisstadt nicht besser fahren würde. Das ist politischer Selbstmord, urteilen die einen – das ist weitsichtig, sagen die andern. Denn die Frage, ob sie sich die Selbstständigkeit überhaupt noch leisten können, dürften sich in Zukunft wohl einige Gemeinden im ländlichen Raum stellen, die teure Infrastruktur bei sinkenden Einwohnerzahlen halten wollen.

"Der Streit ging teilweise sogar durch die Familien", erinnert sich Tennenbronns Ortsvorsteher Köser

Und manche haben sie auch schon beantwortet, zum Beispiel Tennenbronn (Kreis Rottweil): Der heutige Stadtteil von Schramberg gab seine Selbstständigkeit 2006 als erste Gemeinde nach der Verwaltungsreform der 70er-Jahre auf. "Wir standen damals finanziell mit dem Rücken an der Wand", erinnert sich Ortsvorsteher Klaus Köser, der seinerzeit Hauptamtsleiter der Gemeinde war. Dennoch habe es im Ort erbitterte Gegner der Eingemeindungpläne gegeben: "Der Streit ging teilweise sogar durch die Familien", erzählt Köser. Viele Tennenbronner hätten Angst gehabt, ihre Heimat zu verlieren oder als kleine Gemeinde "verkauft" zu werden. "Das Thema wurde sehr emotional diskutiert", sagt der Ortsvorsteher. Ohne monatelange Überzeugungsarbeit und einen Gemeinderat, der seinerzeit geschlossen die Fusion mit Schramberg befürwortete, wäre aus der Hochzeit nichts geworden, ist er sich sicher.

"Wir mussten der Bevölkerung deutlich machen, dass wir manche Aufgaben nicht mehr erfüllen und manche Einrichtungen wie beispielweise das Freibad alleine nicht mehr halten können", erinnert sich Köser. Erst dann habe ein Umdenken stattgefunden: 61,6 Prozent sprachen sich beim Bürgerentscheid für die Eingemeindung aus.

Und heute? "Es war der richtige Weg, das sieht wohl die Mehrheit der Bevölkerung so", meint der Ortsvorsteher. In den Stadtteil sei viel investiert worden, denn Schramberg habe die Versprechen des Eingemeindungsvertrags gehalten und die Zusammenarbeit mit der großen Kreisstadt sei gut. Ihre Identität hätten die Einwohner dennoch behalten: "Wir sind immer noch Tennenbronner", sagt Köser. Das Freibad sei saniert.

Ähnlich sieht es in Betzweiler-Wälde (Kreis Freudenstadt) aus. Dort entschied sich die Bevölkerung 2007 mit großer Mehrheit für die Eingemeindung zur Stadt Loßburg. Und auch dort gab es Ängste und heftige Diskussionen im Vorfeld: "Nüchtern betrachtet blieb uns eigentlich nichts anderes übrig", sagt Ortsvorsteher Hans Ulrich Wößner. Die Gemeinde sei finanziell nicht mehr in der Lage gewesen, ihre Aufgaben zu erledigen, trotz der damals schon laufenden Kooperationen mit Loßburg. "Wir haben es zur richtigen Zeit gemacht und waren keine schlechte Braut", sagt der Ortsvorsteher. Immerhin habe die Gemeinde Gewerbefläche, Wald und 1500 Einwohner mit in die Ehe gebracht: "Das war für beide Seiten ein Gewinn", meint Wößner. In den vergangenen Jahren seien viele Baumaßnahmen erledigt worden, die Betzweiler-Wälde alleine nicht hätte stemmen können. Einen kleinen Nachteil sieht er dann doch: "Die Entscheidungen dauern manchmal etwas länger."

Nächstes Beispiel: Kleines Wiesental – im Kreis Lörrach wurde 2009 aus acht Gemeinden eine gemacht. Dort haben sich Bürchau, Elbenschwand, Neuenweg, Raich, Sallneck, Tegernau, Wies und Wieslet zusammengeschlossen. "Das waren alles Kleinstdörfer mit 160 bis 600 Einwohnern", erzählt Bürgermeister Gerd Schönbett. Für den Zusammenschluss sei dies aber durchaus von Vorteil gewesen: "Wir hatten keinen Platzhirsch dabei, bei dem man aufpassen muss, dass man nicht unter die Räder kommt."

Einfach war es dennoch nicht: Bei acht Rathauschefs habe man so etwas wie acht kleine Könige, sagt Schönbett. An den Folgen der damaligen Kirchturmpolitik habe die Gemeinde heute noch zu knabbern: "Wir müssen in acht Ortsteilen zwölf Wasserhochbehälter unterhalten, weil jeder Bürgermeister seinerzeit eigene gebaut habe." Ähnlich sei die Situation bei den Bauhöfen und den Kindergärten gewesen: "Hier haben wir abgebaut", sagt der Bürgermeister. Heute habe die Gemeinde statt sechs nur noch drei Kindergärten, dafür aber mit längeren Öffnungszeiten. Durch den Zusammenschluss haben sich der Gemeinde Kleines Wiesental vor allem die Verwaltungskosten verringert, erzählt der Schultes. "Wir konnten das Defizit hier auf null fahren, das in Spitzenzeiten bei rund 600 000 Euro lag." Und wie denkt die Bevölkerung heute über den Zusammenschluss? Die Wiesentäler sind Wiesentäler geblieben, und die Neuenweger blieben Neuenweger, meint Schönbett und versichert: "Wenn wir diesen Schritt nicht gegangen wären, hätte uns die Zwangsverwaltung gedroht oder die Zwangsehe mit der Stadt Schopfheim."

"Wir sehen derzeit keine breite Tendenz zum Zentralismus", heißt es beim Städtetag Baden-Württemberg

Drei Beispiele, die im ländlichen Raum bald in Serie gehen könnten? "Wir sehen derzeit keine breite Tendenz zum Zentralismus, und das Land strebt auch keine Gemeindereform an", sagt Norbert Brugger vom Städtetag Baden-Württemberg. Allerdings dürfe es angesichts des demographischen Wandels auch keine Denkverbote geben, "da sind solche Diskussionen durchaus erlaubt", meint er und verweist auf Europa: "Wenn wir einerseits Globalisieren und andererseits Kirchturmpolitik betreiben, wird es schwierig." Föderalismus habe durchaus seine Vorteile, gibt er zu; er stoße aber auch an seine Grenzen, deshalb müsse es bei so schwierigen Themen in der Politik wie im Fußball zugehen: "Da darf es keine Fouls und keine roten Karten geben, da muss sachlich diskutiert werden."

Kristina Fabijancic-Müller vom Gemeindetag setzt hingegen mehr auf interkommunale Zusammenarbeit als auf den Zusammenschluss: "Der Schritt der Eingemeindung sollte wohl überlegt sein", meint sie und warnt: "Wenige große Einheiten müssen nicht besser sein als viele kleine", das habe sich bei der Gebietsreform in Nordrhein-Westfalen gezeigt, die nicht die gewünschten Effekte gebracht habe.

Ob die knapp 2200 Bürger Bad Rippoldsau-Schapbachs alleine weitergehen oder die Fusion mit Freudenstadt prüfen wollen, wird sich wohl am Sonntag zeigen: Dann gehen sie zur Bürgermeisterwahl.