Wer sind die wirklichen Helden im Märchen "Schneewittchen?", fragen sich Jugendliche im Rahmen eines deutsch-russischen Theaterworkshops auf dem Internationalen Forum Burg Liebenzell: Vielleicht sogar die Hirschkuh, die ihr Leben für Schneewittchen lässt? Foto: Fisel Foto: Schwarzwälder-Bote

Deutsch-russisches Theaterprojekt auf Burg Liebenzell / Märchen "Schneewittchen" in mehreren Variationen

Bad Liebenzell. "Wir wollen unseren Auftrag, für Jugendliche Begegnungen zu schaffen, unabhängig momentaner politischer Situationen, wann immer möglich, erfüllen". Das versichert Gertrud Gandenberger, Studienleiterin des Internationalen Forums Burg Liebenzell.

Ganz besonders lag ihr das im Blick auf den derzeitigen deutsch-russischen Theaterworkshop "Schneewittchen" am Herzen, der von der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch der Stadt Tübingen und vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden Württemberg gefördert wurde. "Beinahe wäre dieser Jugendaustausch nicht zustande gekommen, da einige besorgte Eltern aus Deutschland ihre Kinder nicht nach Russland mitreisen ließen", erinnerte sich die engagierte Politikwissenschaftlerin.

Doch buchstäblich in letzter Minute stiegen Franziska (17) aus Rauenberg und Anton (15) aus Tübingen noch mit ins Boot, sei es aus Interesse an der russischen Sprache, am Austausch mit anderen Jugendlichen oder am Theaterspiel. Auch der 17-jährige Daniel aus Bad Urach war bereits mit Russisch vertraut. Jessy, 18 Jahre alt, aus Tübingen nutzte außerdem die Gelegenheit, Russland kennenzulernen.

Seit einigen Jahren arbeiten Gandenberger und Svetlana Nachinova, Direktorin der Theatergruppe Rostok in Petrosawodsk, mit dem dortigen Geschäftsführer der karelischen Jugenddachorganisation Doroga, Denis Rogatkin, zusammen. Rostok ist eine inklusiv arbeitende Theatergruppe. "Die nicht behinderten Jugendlichen spielen mit ihren behinderten Freunden nicht nur zusammen Theater, sondern unterstützen sie, Selbstständigkeit zu entwickeln und ihre persönlichen Potenziale zu erweitern", unterstrich Gandenberger.

Die Proben zu den verschiedenen Märchen lieferten allerdings noch weit mehr Einblicke: Mit sichtlicher Begeisterung, aber auch mit erstaunlicher Ernsthaftigkeit und gegenseitiger Achtung spielten die 19 Jugendlichen ihre Rollen, wurde diskutiert und kritisiert, verbessert oder gelobt. Offensichtlich stellten die verschiedenen Sprachen eher eine Bereicherung statt eines Hindernisses dar. "Die choreografischen Elemente sollen auch ohne Worte eine deutliche Sprache sprechen", unterwies Theaterpädagoge Volker Schubert seine Schauspieler auf Deutsch, Englisch oder mithilfe ausdrucksvoller Gestik. Und wenn dann doch einmal professionelle Übersetzer benötigt wurden, waren Linda Böhm-Czuczkowski oder Elena Gladkova zur Stelle.

Nach zwei Wochen intensiver Theaterarbeit, eine Woche in Russland unter der Leitung des Theaterregisseurs Vasily Serebrov, dann eine Woche in Bad Liebenzell mit Volker Kauder, waren schließlich vier unterhaltsame, höchst anspruchsvolle Theaterstücke entstanden. Sie setzten sich mit Themen rund um das Märchen "Schneewittchen" wie Schönheit, Konkurrenz oder Zuordnung von Geschlechterrollen auseinander und zeigten teils nachdenklich stimmende, teils provokante Veränderungen, die zum Abschluss des Projekts in Tübingen an vier verschiedenen Orten aufgeführt wurden. "Ein begeistertes Publikum, enthusiastische Schauspieler und ein glückliches Team waren das Ergebnis", berichtete Gandenberger aus Tübingen.